Dänemark dient ja nicht nur dazu, mal in Ruhe in großer Sechserrunde zu spielen. Dänemark ist auch der Ort, an dem die alten, im Schrank vor sich hinstaubenden Perlen wieder rausgeholt werden. Und natürlich eine Chance, den aktuellen Jahrgang intensiver zu verkosten. Oder mit Blick auf die Rückrundenneuheiten aus Nürnberg: sie kennenzulernen.

Auch in Nürnberg erschienen Titel, die folgende Theoreme untermauern: Spieler mögen das Mittelalter. Offensichtlich. Sonst kämen ja nicht so viele thematisch in der Zeit zwischen dem 7. Februar 908 und dem 13. September 1672 angesiedelten Spiele heraus (um mal grobe Anfangs- und Enddaten für das Mittelalter festzulegen, was sich die Historikerzunft bisher ja nicht so explizit getraut hat. Damit ist dieses Thema endlich erschöpfend abgearbeitet). Spieler mögen anscheinend auch traditionelle Handwerksberufe und deren Organisation in Form von Zünften. Und Spieler mögen französische Mittelstädte, wie die Erfolge von Carcassonne (rund 50.000 Einwohner) und Troyes (gut 61.000) zeigen. Dass sich dazwischen noch so ein Nest wie Caylus tummelt, lässt sich nur schwer erklären, denn eigentlich ist es zu klein. Bei Pegasus hat man sich nun gedacht: Think big. Wir nehmen das Mittelalter, wir nehmen Zünfte und wir nehmen nicht nur so ein Kaff aus einem zurecht vollkommen unbekannten Arrondissement, wir nehmen –Trommelwirbel – eine Großstadt. So kam es also zu Strasbourg (immerhin 640.000 Einwohner), dem neuesten Œuvre von Stefan Feld.

So erklärt sich also die Einbettung des Spiels in dieses Thema. Aber lieber ein Thema, das sich hübsch malen lässt, als irgendetwas Abstraktes. Wobei die Farbwahl von Alexander Jung und Hans-Georg Schneider mutig ist: So ein lila muss man sich auch erstmal trauen. Aber mit einer prall dekolletierten Gesellin, die so nett aus dem Fenster im Hintergrund lächelt, kann man über den Farbtopf-Fauxpas durchaus hinwegsehen. Schließlich geht es nicht um Äußerlichkeiten, sondern um die inneren Werte. Und da muss man noch mal in aller Klarheit sagen: Zurzeit kann es kaum einer besser als der Feld. Jedes seiner Werke in dieser Saison ist wirklich gut. Und keins fühlt sich so an, als wenn es nur das Abfallprodukt aus der vorherigen Entwicklung ist. Er ist halt ein Leitwolf, der Feld.

Nun also Strasbourg. Die Spieler streben an, in fünf Zünften der Stadt eine herausragende Rolle zu spielen. Das sichert politischen Einfluss, Reichtum und ermöglicht es, in den entsprechenden Vierteln ein Filialnetz zu eröffnen. Das alles dient natürlich einem Ziel: die meisten Siegpunkte zu hamstern. Zentrales Element ist der Stapel aus 24 Karten mit den Werten eins bis sechs, jeder vier Mal vorhanden. Die Karten werden gemischt, als verdeckter Stapel vor uns abgelegt und zu Beginn jeder der fünf Runden zieht jeder Spieler Karten. So viele er möchte. Nur: Einmal ausgespielte Karten sind weg. Der Spieler muss also haushalten. Aus den Karten bildet er kleine Stäpelchen, wieder so viele, wie er möchte. Mit diesen Kartenhäufchen bietet er. Jede Runde gibt es nämlich sieben Auktionen: Es geht um Adel und Klerus, es geht um die Gewerke und es geht ums Verkaufen.

Zuerst bemühen wir uns, Adel und Klerus zu beeinflussen. Der Höchstbietende darf auf den Adelsplatz im Rat eines seiner Männchen stellen und am Ende der Runde ein Haus in ein Stadtviertel bauen. Der Zweite sitzt diese Runde für den Klerus im Rat und baut eine Kapelle in die Stadt. Bei den Zünften gibt es drei Einflussstufen: Der Meister darf für die Zunft in den Rat, einen Laden eröffnen (was immer Geld kostet) und kriegt ein Warenplättchen. Der Geselle bekommt eine Ware und darf einen Laden eröffnen. Und der Lehrling darf sich aussuchen, ob er eine eigene Filiale will oder doch lieber eine Ware nimmt. Der Kaufmann schließlich darf all seine Waren verkaufen, um die Kasse zu füllen. Denn Geld ist knapp, wird aber für die Vergrößerung des Filialnetzes dringend benötigt. Nur die, die bei einer der Versteigerungen ganz leer ausgegangen sind, dürfen eine ihrer Gebotskarten wieder unter den verdeckten Stapel schieben.

Alles bringt schließlich Siegpunkte: Mitglieder im Rat, Handwerker in der Stadt, Handwerker an Kapellen, Handwerker neben Gebäuden, Handwerker, die in den von den anfangs verteilten Aufgabenkarten vorgegebenen Formationen richtig stehen.

Das alles braucht Minimum eine Partie, um ein Gefühl für das Kartenhandling zu entwickeln: Was geht – und was nicht? Man muss auch mal den Mut haben, eine vielleicht für einen sehr wichtige Auktion mit richtigem hohem Einsatz zu gewinnen, dafür bei anderen Runden nicht mitzubieten, um am Ende beim Formationstanz die Choreografie zu beherrschen. Sozusagen.

Strasbourg ist mal wieder ein fein konstruiertes Werk von Stefan Feld. Nicht ganz so cool wie die Burgen von Burgund, aber auch höchst spielenswert. Von den Nürnberger Neuheiten ist es sicherlich einer der Top-Titel. Also: ein dringender Anspiel-Appell.