Die Nominierungslisten sind raus – und reflexartig geht in den Foren die Diskussion los. Erstaunlich oft war heute im Forum der Spielbox sogar Zustimmung zu lesen, die üblichen Pöpeleien gegen die Jury hielten sich in Grenzen. Dabei ist es für die Damen und Herren, die den Spiel-des-Jahres-Pöppel auf einen Spielekarton wählen dürfen, ungefähr so wie für Fußballtrainer. Die zu Hause auf dem Sofa und in den Internet-Foren, die mit dem großen Softdrinkdurst und Chipshunger und den nur rudimentär entwickelten Lungenbläschen, nun: Die wissen es halt besser.

Das gilt natürlich umso mehr für diesen Kommentar, der sich in aller gebotenen Bescheidenheit als die einzige wahre Bewertungsinstanz betrachtet. Deswegen jetzt also auch die offizielle Meinung eines vereinzelten Pöppelhelden. Aber andererseits: In der katholischen Kirche entscheidet auch einer alleine, wie die Exegese der heiklen Bibelstellen funktioniert. Und die Nominierungsliste birgt mindestens genauso viel Sprengstoff.

Um es mal vorweg zu nehmen: Die Jury hat in diesem Jahr wohl überlegt entschieden.

Besonders hohe Erwartungen hingen in der Szene am neuen Preis, dem anthrazitfarbenen Pöppel für das Kennerspiel des Jahres. Was erst wie eine Konkurrenz zum Deutschen Spielepreis klang, soll aber tatsächlich ein Spiel werden, das die im Spielen bereits etwas geübte Familie an neue Herausforderungen heranzuführen vermag. Die Idee ist gut – und die Auswahl der Jury ist es auch. 7 Wonders, Strasbourg und Lancaster sind die (nur noch) drei Nominierten.

Diese Reduzierung ist ein weiterer cleverer Zug der Jury. Auf dem immer unübersichtlicher werdenden Spielemarkt ist es klug, antizyklisch zu handeln, sich von der Hektik und dem Innovationsdruck der Branche nicht anstecken zu lassen. Eine Pöppelinflation auf den Schachteln und eine damit einherschreitende Verunsicherung seitens der Ab-und-zu- und Familienspieler wäre für das Ziel der Jury – Lust auf das Kulturgut Spiel zu machen – eher kontraproduktiv gewesen.

Analog zum Slowfood-Gedanken bildet sich so vielleicht eine Genießerszene heraus: Slowgaming. Vielleicht sollte man sich gar nicht mehr von dem Ehrgeiz treiben lassen, mindestens 50 Prozent eines Jahrgangs anspielen zu wollen. Vielleicht wäre alles viel genussvoller, wenn man sich seine Favoriten heraussucht und ihre Tiefe erkundet, sie innig zu lieben lernt. Über möglichst viele Spielbretter, dafür nur ein einziges Mal zu hetzen, ist dagegen McGaming, nichts als ein nur kurze Zeit befriedigender Quickie, der einen schon bald leer zurücklässt.

Natürlich werden viele Spieler mosern, dass der eine oder andere Titel fehlt. Nur: Das lässt sich bei einer solchen Kür nicht vermeiden. Und die Kurfürsten der Jury sind keine Torfnasen, die sonst nur Uno spielen, sondern es sind Profis, die sich seit vielen Jahren intensiv mit der Materie beschäftigen, die das Spielen lieben und sehr gut einschätzen können, was für welche Zielgruppe taugt. Und vor allem: Sie nominieren nicht nach dem McGaming-Prinzip, sondern sie haben die Titel intensiv genossen. Dass die Grenzen bei einer solchen Nominierung nicht immer exakt trennscharf sein können, liegt in der Natur der Sache. Vielleicht hätte 7 Wonders auch Spiel des Jahres werden können. Aber auch für den Anthrazit-Pöppel ist das in der Szene als Favorit gehandelte Baby von Antoine Bauza hervorragend geeignet.

Auch die drei Titel für den rotpöppeligen Hauptpreis Spiel des Jahres sind gute Vertreter des Genres: Asara ist dabei das klassischste Brettspiel der Drei, mit kurzer Spieldauer ohne dabei banal zu sein. Wer Wolfgang Kramer und Michael Kiesling kennt, der ahnt, dass die beiden dieses Spiel sehr gezielt auf Titelkurs designt haben. Doch das Autoren-Duo hat starke Konkurrenz: Qwirkle ist einer der stärksten abstrakten Titel der vergangenen Jahre, in den USA zu Recht mehrfach ausgezeichnet. Und Die verbotene Insel wäre ebenfalls ein guter Preisträger. Für Pandemie-Kenner mag es etwas zu seicht wirken, ein bisschen wie das Alkoholfreie für den Biergourmet, aber für die Zielgruppe ist das Spiel top. Zumal der Preis mit dieser Ausstattung allein schon preiswürdig ist. Die in den vergangenen Jahren immer wieder zu Überraschungen aufgelegte Jury könnte mit diesem Titel einen echten Coup landen.

Bleibt: das Kinderspiel des Jahres. Es soll Da ist der Wurm drin, Die kleinen Zauberlehrlinge oder Monster-Falle werden. Dazu sollen berufenere Geister etwas sagen (was der eine oder andere sicherlich schon beim vorherigen Text dachte).

Für die Listen 2011 bleibt nur festzustellen: Alle neun Nominierten sind hervorragende Werbeträger für das Genre Spiel. Ausnahmsweise also mal ein öffentlich geäußertes Lob für die Jury: Glückwunsch zu diesen Listen.