Auf einmal stand dann der Michael in der Tür, ein neues Gesicht. Was an sich noch nichts Ungewöhnliches ist, wir freuen uns ja über jedes neue Gesicht und laden jeden herzlich ein, mal reinzuschauen. Das besonders schöne an dieser Neugesichtigkeit war aber: Michael kommt aus Berlin. Er urlaubt gerade im Nordwesten, Schwiegerelternbesuch. Es mag jetzt etwas abgedroschen und klischeehaft klingen, dass man da natürlich andere Abendbeschäftigungen als Auf-dem-Sofa-sitzen-und-Schlehenschnaps-trinken sucht. Er googelte – und er fand uns: die Pöppelhelden, die wie jeden ersten Mittwoch eines Monats in der Matthäus-Kirche zu Hundsmühlen in geselliger Runde die Welt retteten, Automobilimperien in den Vereinigten Staaten errichteten oder ihre Fingerfertigkeit unter Beweis stellten. Nur mit Religion hatte der Abend wie immer nix zu tun (keiner hatte 1655 – Habemus Papam oder Ähnliches mit).

SnapshotKommen wir – bei einer kleinen Spielbetrachtung – auf die Fingerfertigkeit zurück, das ist nämlich so eine Sache. Womit wir bei Snapshot wären. André hatte es einfach mal in der Mitte des heiligen Gemeindesaals aufgebaut. Stichwort: Aufforderungscharakter. Es kam dann auch gleich mal zu einer Partie. Ist lustig. Man muss einen Holzchip über den Hindernisparcours schnipsen und dabei auf Karten vorgegebene Aufgaben erfüllen und Diamanten einsammeln. Wer am besten schnipst, erfüllt und sammelt, gewinnt. Eigentlich ganz einfach. Wenn man nicht so spielt, als hätte einem der Zahnarzt des Vertrauens kurz vor der Partie aus Versehen eine Betäubungsspritze in die Hand gehauen. Robert, der Stratege, gewinnt dann. Souverän. Chapeau. Ich hatte gerade mal zwei Aufgabenkarten abgeschnipst. Mit so einem Ergebnis muss man eigentlich auf die stille Treppe.

Auch im Programm: 7 Wonders, natürlich mit der Führer-Erweiterung. Weil das Wort in Deutschland immer noch seltsam klingt, greift der Verlag auf das anglosächsische Lehnwort „Leaders“ zurück. Auch gut. Wir hatten im Frühjahr bereits von Asmodee den Prototypen gespielt. Und schon da blieb dieses diffuse Gefühl zurück, das als Frage artikuliert ungefähr so klingt: Bringt diese Erweiterung das Spiel wirklich voran? Unsere Ahnung: Wohl eher nicht. So ging es auch einigen Probanden am Mittwoch. Man muss die Führerqualitäten beim Errichten unseres antiken Superstaats wohl noch mal testen. Aber die Führer scheinen nicht die It-Expansion der Saison zu werden.

AutomobileJürgen erklärt: Automobile. Jürgen mag ja diese schweren Bretter, die Roulade-mit-Knödel-mit-Rotkohl-mit-viel-Soße-Kaliber. Letztes mal: Korsaren der Karibik (warum wird das eigentlich so euphorisch bejubelt, denn es ist ja nicht nur Würfelgeschick gefragt, sondern kann bei zu vielen Kaufleuten am Tisch auch durchaus langatmig werden?). Dieses Mal also ein Martin Wallace, in der Ausgabe von Lookout Games, unseres befreundeten Verlages aus dem Nachbarlandkreis Wesermarsch. Das Spiel sieht in Hanno Girkes Version toll aus, keine Frage. Und es spielt sich gut, keine Fragen. In Sachen große Wirtschaftsspiele ist Wallace ein Maestro. Und doch ist es nicht ganz so toll wie Age of Industry oder First Train to Nürnberg. Das beruht auf der Erfahrung, die ich noch mit dem Treefrog-Original gemacht habe. Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen: Es war ein Freitagabend, es war ein Spiel in voller Fünfer-Besetzung, mit zwei grübelnden Optimierern am Tisch – die manchmal spontan ihre Gestalt wechselten und auf einmal optimierende Grübler waren. Und da sich Automobile perfekt durchrechnen lässt, war das Spiel am Ende nur noch zermürbend. Obwohl man den Grübel-Optimierern lassen muss, dass ihre psychologische Kriegsführung aufging, Platz eins machten sie unter sich aus. Aber es bleibt: Es gibt Besseres von Wallace.

QwirkleNatürlich wurde auch geqwirklet. Das aktuelle Spiel des Jahres ist perfekt geeignet, um in den Abend zu starten. Oder auch ein grandioser Rausschmeißer. Oder für den schnell-verschwitzten Qwickie Qwirkle zwischendurch. Aber eines ist ganz, ganz wichtig. Wenn man es spielt, sollte man im Kopf immer Michael Buffer sein. Buffer ist der Mann, der häufiger des Nachts im Smoking in einem Boxring steht, Vokale langzieht und über das Gewicht von muskulösen Männern in linken oder rechten Ecken redet. Wenn man also den sechsten Stein in eine Reihe legt, sollte man den Mitspielern nicht einfach nur verschämt mitteilen, gerade zwölf Punkte erzielt zu haben. Sondern man sollte den entsprechenden Stein in einer geschmeidig-kreisenden Armbewegung aufs Tableau schweben lassen und dabei ungefähr Folgendes sagen: „Ladies and gentlemen, you are now to witness the birth of another [Achtung: jetzt kommt Lautschrift] Kaaaaaaaa-Wöööör-KeLLLLL!“ Dann, und vor allem dann, macht das Spielchen richtig Laune.

Die Burgen von BurgundZum Abschluss noch ein paar kurze Anmerkungen zu Die Burgen von Burgund. Ein schönes Spiel. Vor allem ein tolles Zwei-Personen-Spiel (zu viert kann es sich dann aber doch schon mal etwas arg ziehen). Leider wurde über dieses Spiel viel gemeckert. Zu dünne Alea-Pappe. Gähn. (Habe übrigens noch nirgends Schmähkritiken gelesen, dass die Turmteile bei Asara aus dem gleichen Material gestanzt wurden.) Aber geschenkt. Farben schlecht zu unterscheiden. Drucken ist eben kein schnödes Handwerk, Drucken ist Kunst. Auch das: geschenkt. Nein, vielmehr geht es um die thematische Einbettung, die leider so hakt. Jeder, der sein Großherzogtum schon mal ausgebaut hat, kennt das ja. Man kauft bei der Raiffeisenwarengenossenschaft eine Wiese mit vier Schafen drauf, fährt nach Hause, hat keine Lust, sie direkt ins Fürstentum zu bauen, und lagert sie erstmal im Schuppen oder Hobbykeller. Und dann, wenn man Muße verspürt (oder wahlweise ein wohlwollendes Würfelergebnis vor einem ausliegt), baut man die Wiese ein. Das hätte so schon werden können mit dem richtigen Thema: Baumarkt. Wenn wir etwas vermissen, dann doch wohl das erste Baumarktspiel. Die Bastler vom Baumarkt, BaBa statt BuBu oder BasBau statt BurBur. Aber auch das ist zu verschmerzen, weil BuBu auch so ganz doll toll ist. Eigentlich ist das nicht der richtige Platz, aber ich spreche sie trotzdem aus, die Kaufempfehlung.

Der nächste Spieleabend findet übrigens am Mittwoch, 7. September, 19.30 Uhr, in der Lothar-Matthäus-Kirche in Hundsmühlen (Gemeinde Wardenburg, direkt am Stadtrand Oldenburgs) statt. Wir freuen uns darauf, mit euch zu spielen.

Ludografie für den 3. August 2011:



Pöppelhelden am 3. August:
André, Andreas, Claudia G., Claudia H., Dirk, Gerald, Hauke, Iris, Jürgen, Maren, Markus, Michael aus Berlin (aus BER-LIN!), Olaf, Robert, Simone und Thorsten