Spectaculum„Herrrrrrrrrreinspaziert, hereinspaziert, Herrrschaften, kommen und schauen Sie, was Sie noch nie im Leben gesehen haben!“ Yippee-ki-yay, der Zirkus weilt im Weiler, welch ein Spectaculum, was für eine Freude. Das ganze Dorf strömt erwartungshungrig ins Zelt und auf den Rummel, um die Darbietungen des schwer metabhängigen Tanzbären, der weitsichtigen Wahrsagerin, des unterkühlten Feuerspuckers oder des feinfühligen Flohbändigers gebannt zu folgen. Eine tolle Show wird uns versprochen – das Spiel indes kann diese Erwartungen leider nicht ganz erfüllen.

Der ganz große Neuheiten-Hype setzt ja erst nach Essen ein (deswegen den Post-Essen-Spieleabend am 26. Oktober schon mal schwer vormerken!), trotzdem gab es beim jüngsten Treffen der Pöppelhelden schon einiges aus der Neuheitenflut zum Anschnuppern: Milestones, Die Legenden von Andor und eben Spectaculum. Der neue, mittelgroße Knizia, den Peter Eggert mit Hilfe von Pegasus herausgebracht hat.

Womit auch gleich die erste Frage auftaucht: Knizia, der Dr. Reiner Knizia erdenkt ein ausgelassenes Zirkusspiel mit Strategieanteil? Nun, jein. Ausgedacht hat er sich das wohl definitiv (und dabei hat er den Setzmechanismus von Kingdom Builder variiert), thematisch eingebettet ist dieses Wirtschaftsspiel aber nicht. Knizia und die Themen – das ist ein weites Feld. Es gibt Autoren, die können das besser als der Altmeister.

Was also ist Spectaculum? Vier Zirkusclans ziehen mit Hilfe aller Spieler durch die Lande. Inhaltlich arbeiten alle mit einem ähnlichen Programm, ein bisschen wie im wahren Leben, kennste einen, kennste alle. In den Dörfern, in denen das Publikum begeistert jauchzt nach den Vorführungen, verdienen die mobilen Unterhaltungsbetriebe Geld, was auf ihrer Ruhmesleiste vermerkt wird. Ein anderes Publikum fand die Gauklertruppe eher doof und jagt sie aus dem Dorf, was auf der Ruhmesleiste für Minus sorgt. Wie gut oder schlecht die Zuschauer drauf sind, wird durch zufällig verteilte Plättchen bestimmt. Die Stimmungen schwanken also in jedem Dorf von Spiel zu Spiel. Die Spieler steuern derweil den Weg der vier Truppen, in dem sie blind drei Wandersteine ziehen und sie in einem Rutsch sowie stets benachbart an gleichfarbige Steine auslegen. Während der kluge Königreich-Konstrukteur im Spiel des Jahres darum bemüht ist, seine Siedlungsgebiete möglichst zu zerreißen, muss der smarte Spectaculum-Spieler darauf achten, dass die Truppen, die ihm besonders am Herzen liegen, möglichst viel Plus und nur wenig Minus einfahren.

Spielsituation Spectaculum

Spielsituation Spectaculum

Die Zuneigung zu einer Zirkusfamilie steht in einem unmittelbaren kausalen Zusammenhang mit den Gunstanteilen, die man von ihr besitzt. In anderen Spielen würde man von Aktien reden, die man hübsch billig einkauft und so teuer wie möglich verkauft, um einen dicken Reibach zu machen. Denn darum geht es: Geld. Wer am Ende den größten Batzen Münzen vor sich aufgetürmt hat, ist der größte Zirkusgünstling. Von daher ist man ständig bemüht, den Ruhm einer Artistensippschaft zu mehren, um ihre Anteile dann zu versilbern, während man die Clans der Gegner möglichst mit Fluch und Schande überschüttet, auf das ihre Aktienkurse fallen.

Die Steuerung der Kurse ist glücksabhängig, weil man beim Nachziehen der Wandersteine vielleicht gerade die Farbe, die einem zu einem schönen Insiderhandel verhelfen würde, nicht bekommt. Und bis man wieder dran ist, haben die Kollegen am Tisch den Kurs bereits abstürzen lassen. Das macht das Ganze schwer steuerbar und damit für Vielspieler und Profiklötzchenschieber wie die Pöppelhelden nur mittelspannend, denn man ist dazu verdammt, jedes Mal aus dem, was man auf der Hand hat, das Klügste zu machen. Das ist okay, aber nichts Grandioses, also: oberes Mittelfeld, mehr nicht.

Das Hauptproblem ist aber tatsächlich ein anderes: Das Spiel bleibt immer abstrakt, der Mechanismus wurde nicht eingeflochten. Oder wie Michael es so schön sagte: „Das Thema ist verschenkt.“ Niemand hat je das Gefühl, einen Gauklertrupp auf Reisen zu begleiten. Wie man einen Zirkus führt, lässt sich bei Drum Roll besser erleben. Besonders offensichtlich wird die Themaschwäche bei den Karten der Gaukler, also den Aktien. Jeder Künstler ist individuell gestaltet, sogar ganz außerordentlich großartig gemalt, der bislang unbekannte Marc Magielsky hat hervorragende Arbeit geleistet. Aber weil die Karten keine weitere Funktion haben, verpufft dieses Detail völlig. Schade. Es ist im Spiel sogar übersichtlicher, die Karten mit der Rückseite nach oben vor sich abzulegen. Selten wurde ein so gutes Artwork redaktionell dermaßen ad absurdum geführt. Es scheint, als wenn bei der Verknüpfung von Mechanismus und Thema nicht alles, was das Spiel gekonnt hätte, herausgeholt wurde.

Und was brachte der Abend sonst noch? Eine Kennenlernrunde Agricola – Der Bauer und das liebe Vieh, der kleine Bruder des großen Neoklassikers von Uwe Rosenberg. Nun spielt sich das große Agricola zu zweit ja schon ganz hervorragend, wieso braucht es also ein kleines? Schwer zu beantworten, vielleicht weil es heute alles in klein und kompakt gibt: Snickers und Bounty in der Celebrations-Kiste, und sogar die eigentlich schon eher nicht so großen Colorado-Konfektbonbons gibt es noch mal als Mini-Colorados. Deswegen jetzt also Agricola Mini. Überflüssig ist der kleine Turbomastbetrieb für Schafe, Schweine, Kühe und Pferde übrigens nicht. Kurz, knapp, sehr verdichtet, aber nicht banal. Vor allem, wenn man zu zweit nichts Episches auf den Tisch packen möchte, bietet sich diese Version an. Schöne Idee, die die Vorfreude auf Le Havre Mini auf der Messe schürt.

Zum Absacken noch eine kleine Viererrunde Die Burgen von Burgund, dieses herrliche Werk von Stefan Feld. Darüber ist eigentlich alles gesagt, auch die thematische Schwäche ist von mir bemäkelt worden, von wegen Ländereien kaufen, erst zwischenlagern und dann einbauen. Aber wegen der ausgesprochenen Klasse des Spiels stört das gar nicht. Kann man immer wieder spielen. Und im Gegensatz zu vielem anderen wird BuBu sicherlich auch nach Essen 2012 weiterhin einen Dauerplatz auf dem kalt-warmen Spiele-Büfett der Pöppelhelden erhalten. Das muss man erstmal schaffen.

Noch was? Ach ja: Irgendwie wollte an diesem Abend niemand 7 Wonders mit mir spielen …

Außerdem wurden gespielt: Die Legenden von Andor, Feudalherren, Hanabi, Kingdom Builder, Panic Station, Santy Anno, Thunderstone Advance: Die Türme des Verderbens und Pinguin Party