Essen ist ja das zentrale Thema dieser Tage auf unserer Seite. Allerdings lohnt sich unter diesem Gesichtspunkt der Besuch der Messehalle nicht. Aber man kommt nicht daran vorbei, Spiele hin, Spieler her, Neuheitenfieber und Goodie-Wahnsinn mögen noch so wichtig scheinen, Essen muss sein. Und trinken natürlich auch. Da selbst die Pöppelhelden unmöglich alle Leckereien aus dem kulinarischen Messe-Angebot testen können, müssen wir uns auf einige wenige Produktgruppen beschränken. Da ist zum Beispiel die allabendliche Pils-Degustation am Snack-Point. Nach dem Treffen um 17.30 Uhr am Fairplay-Stand pilgert die Gemeinde zum idyllisch gelegenen Bistro beim Boardgamegeek, um sich an einer Flasche Stauder gütlich zu tun. Und da kein Mensch nach einer Flasche sagen kann, woran er ist, wird intensiv weiter getestet. Auch von prominenten Gastfeinschmeckern.

Pöppelhelden-Maler und Bier-Gourmet Maura Kalusky hat eine klare Meinung zu Stauderpils: im Abgang eher plörrig.

Gestern durften wir Maura Kalusky begrüßen, der ja nicht nur ein großartiger Grafiker (siehe unser Logo), sondern auch bekennender Bier-Gourmet ist. Dabei könnte es im Plausch mit dem Bremer glatt in Vergessenheit geraten, dass die Essener Plörre wirklich laff ist. „Es gibt nicht viele Biere, die schlechter schmecken“, urteilte denn auch Maura, in der Bierbox hätte es da nur zu einer Durchschnittsnote von 5,67 gereicht. Zu wenig – aber vielleicht haben wir auch nur noch nicht alle Finessen des güldenen Saftes entdeckt. Der Test geht weiter.

Den kritischen Gaumen unserer Gormet-Fraktion gefallen hat da auf jeden Fall schon mal das Essen im „Aphrodite“, nicht nur wegen des würzigen Gyros‘ und des tomatigen Reis‘, sondern auch wegen des herzlichen Service‘ mögen wir es da, nächstes Jahr kommen wir wieder (und wir lassen uns da von dem Prä- und dem Post-Ouzo wirklich nicht beeinflussen – das wäre ja so, als wenn man auf einer Spielehomepage positive Berichte liest, nur weil die Rezensenten das Spiel umsonst erhalten haben, unvorstellbar!).

Satt und ouzoseelig: Pöppelhelden-Delegation im „Aphrodite“.

Nach diesem kurzen Einblick in den wahrlich harten Messealltag, den sicherlich die vielen Mitglieder der Spieleklubs und die zahlreichen Spielejournalisten, die in den Hallen von Stand zu Stand hetzen, nur allzu gut kennen dürften, kommen wir zu dem, was uns das Essen in Essen manchmal vergessen lässt: die Spiele. Und weil achronologisches Erzählen seit Tarantino cinematografischer Ausweis absoluter End-Coolness ist, wollen wir dieses Stilmittel heute auch einmal verwenden. Total crazy.

Auch nach einem langen und knallharten Messetag schrecken Pöppelhelden nicht vor einem Schinken wie Rüdiger Dorns Il Vecchio zurück – wäre auch zu schade, da icht mal zu kosten.

Es ist heiß. Sechs Messestunden liegen hinter uns, einzelnen Haarsträhnen kleben an der glänzenden Stirn. Aber aufgeben gilt nicht, die Spiel ist schließlich kein Ponyhof. Also trotzdem noch einmal in Halle 12, die heißeste Hood am Grugaplatz. Große Stände, große Menschenmengen, große Luftverschmutzung, nirgends werden die Lungen und die körpereigenen Temperaturregulierung mehr gefordert. Trotzdem wollen wir an die Grenze gehen, schweren Stoff konsumieren, Rüdiger Dorns Il Vecchio bei Hall Games bei Pegasus. Hall kann nur die große Literatur, keine Groschenromane. Große Literatur mag es geschichtlich, mag Italien, mag viele Möglichkeiten. Wir reisen durch die Toskana, wir suchen, unseren Einfluss in den Provinzen und in Florenz zu mehren, um dem Gebaren dieser unangenehmen Medici-Sippschaft (wer glauben die eigentlich, wer sie sind?) mal ein P vorzuschieben. Das ist vielfältig und engmaschig verwoben. Das positiv überraschende dabei: Die Züge sind kurz, es geht schnell voran. Aber so wie der neue Kramer/Kiesling bei Hans im Glück eben kein Porsche Carrara ist (sorry, aber der musste raus), sondern eher eine sehr elegante und opulent ausgestattete E-Klasse, ist Il Vecchio auch kein Maserati. Was fehlt? Die wirkliche Innovation, etwas Unerwartetes. Was nichts Schlimmes ist, das Rad muss nicht immer neu erfunden werden. Und so, wie die einzelnen Elemente in diesem Spiel zusammengefügt sind, gibt es eigentlich nichts zu meckern. Erster Eindruck: Vielspieler werden es mögen und nie nein sagen, wenn es auf den Tisch kommt.

Auch für Amigos Auf die Nüsse gibt es von uns das begehrte Vielspieler-Prädikat: so niedlich!

Mittagspause. Tom und Christian wollen ihren Körper und Geist mittels einer vitamin- und ballaststoffreichen Currywurst wieder mit Lebenskraft versorgen. Zeit, mal ein wenig durch die Hallen zu browsen und etwas abseitiges, kleines zu spielen. Ein Familienspiel. Bei Amigo stehen auch Tische hinter der großen Bohnanza-Werbewand. Ein bisschen Sichtschutz, damit niemand sieht, wie wir Hardcore-Gamer Auf die Nüsse zocken. Wir sind Eichhörnchen, was keinen überraschen dürfte. Das Ziel: Unser Winterlager mit Wal- und Haselnüssen, Eicheln und Bucheckern zu füllen. Wir als Chef-Eichkätzchen schicken unsere dienstbaren Geister hinaus in den Wald, um die Spezereien einzusammeln. Wer dran ist, rollt drei sechsseitige Würfel und addiert das Ergebnis des grünen Waldwürfels mit einem der beiden weißen Wiesenwürfel – sollte es aber passieren, dass man kein Eichhörnchen einsetzen kann, weil die passenden Felder schon besetzt sind, zieht sich die eigene Bande komplett zurück und klettert nicht in die Bäume. Wer meint, zu viel zocken zu müssen, wird im Winter wohl an der Suppenküche um ein Almosen betteln. Man muss allerdings frustresistente Kinder am Tisch sitzen haben, denn Würfel können ja sooooo fies sein. Echt nicht schön. Erster Eindruck: Das macht durchaus Spaß, kann als Aperitif wie Digestif gereicht werden und – was vielen Vielspielern wichtig ist – es sieht superniedlich aus.

Knizia und die Themen, Kapitel XXXIV. Abstrakt wäre Qin keinen Deut schlechter gewesen – und man hätte sich nicht über ein aufgesetztes Thema ärgern müssen.

Der Morgen ist gerade vergangen, die Sonne strahlt vom Himmel, alle Tische in Hallien sind besetzt? Alle Tische? Nein, ein Tisch bei Eggert wehrt sich anscheinend gegen die Eindringlinge und bleibt frei für die Pöppelhelden. Auf den Tisch kommt Reiner Knizias Freddy Qin, von Eggert eigens als Familienspiel angepriesen. Entsprechend leichtgängig ist es. Wir sollen zur Zeit der Qin-Dynastie unsere Pagoden loswerden. Wir können sie jeweils in eine Provinz bauen, die mindestens aus zwei Landschaftsstücken besteht. In Dörfer, an denen Landschaftsstriche mit eigener Pagode angrenzen, können wir wiederum auch Pagoden bauen, aber nur, wenn wir die Mehrheiten der benachbarten Pagoden mit einem Zeitungskiosk und Lottoannahmestelle besitzen oder bei Gleichstand als Erste da waren. Und wenn eine Provinz gar fünf Felder groß ist, dürfen wir eine Doppelpagode bauen, womit uns der Einfluss im Dorf für immer sicher ist und wir auch nicht – wie mit einstöckigen Spitzdachbauten – von lästigen Mitbewerbern vertrieben werden können. Das Ganze ist eine hübsche abstrakte Puzzleaufgabe, so, wie es Knizia wirklich am besten kann. Was das mit den Qins zu tun hat, warum dem Ganzen nun noch ein Thema, das hanebüchen ist und nicht passt, aufgebügelt werden musste? Man weiß es nicht. Das Spiel wäre ohne Thema vielleicht sogar besser. Erster Eindruck: durchaus gefällig, aber die Themenschwäche betrübt uns etwas.

Schnell, hektisch, rund: Dobble.

Zwischendrin kann so ein bisschen billiges Amüsemang nicht schaden. Das dachte sich auch die Sonja und quatschte uns von der Seite an. Ob wir nicht mal Lust auf eine schnelle Runde hätten. Wer kann da nein sagen? Also Dobble, übrigens keine Neuheit. Auf den runden Karten (Achtung: kreativ) sind zahlreiche Gegenstände gemalt. Der Clou: Auf allen Karten des Spiels gibt es immer eine Übereinstimmung. Die gilt es zu suchen. Wer sie findet, ruft es laut heraus und nimmt sich die oberste Karte vom Stapel. Dann heißt es, auf der neuen Karte eine Übereinstimmung zu finden. Hektisch, anstrengend, zu viel in der heißen Halle 12, nach solchen Schwergewichten wie Ginkgopolis oder Il Vecchio.

Wie man mit einem Knizia umgeht, zeigt Schmidt: abstrakt bleiben. Das wirkt so viel besser als bei Qin (abgesehen davon, ist Rondo auch das bessere Spiel).

Der Tag war lang. Der Lärm, die Luft, das Ludofieren – alles anstrengend. Trotzdem fällt gleich positiv auf, wenn es einen gibt, der weiß, wie man einen Knizia behandeln muss. Schmidt macht vor, wie man mit des Doktors Mathematik-Spielchen umgeht. Rondo heißt das schön aufgemachte Werk. Ein Rondell mit drei Ebenen ist aufgedruckt, in den Feldern stehen Zahlen, die Spielsteine sind elegant bedruckte Plastiksteine, keine Pagoden, keine Arbeiter, keine Regenbogen pupsenden Ponys. Jeder Stein muss farblich passend gelegt werden, der Wert des Feldes – von eins bis fünf – wird dann mit der Anzahl der vom Spieler abgelegten Scheiben multipliziert. Wer das am cleversten macht, gewinnt. Das klingt simpel und ist es auch. Thorsten Gimmler, Redakteur bei Schmidt, sieht Rondo in der gleichen Liga wie Qwirkle – das muss sich allerdings erst zeigen. „Wenn man es ein paarmal gespielt hat, wird man einen Neuling wahrscheinlich schlagen“, erzählte Gimmler am Mittwoch bei der Neuheitenschau. Man könne Rondo einfach so spielen – oder man spielt es. Ein schöner Satz. Erster Eindruck: großes Potenzial.

Das neue Brand-Werk. Würfel liegen ja im Trend, aber beim Aufbau von Saint Malo wirken sie irgendwie deplatziert. Und beim Malen auf dem Spielplan werden auch noch die Hände dreckig.

Würfelspiele sind der Trend. Das war die Nachricht am Mittwoch. 15 Prozent Umsatzplus. Ein Verlag, der sich nach eben diesem Spielgerät benannt hat, kann einen solchen Trend natürlich nicht missachten. Mit Las Vegas hat Alea ja schon eine wirklich tolle Würfelzockerei herausgebracht, nun liegt das lange angekündigte Saint Malo vor. Von den Deutsche-Spielepreis-Brands, Village-Inka und Village-Markus. In diesem Fall geht es darum, unsere Stadt auszubauen – und zwar mit Hilfe der Würfelergebnisse. Mauern zum Schutz gegen die Piraten müssen errichtet, Soldaten rekrutiert, Baumeister verpflichtet und möglichst mehrere Kirchen gebaut werden. Das ist durchaus klug ausgedacht, aber leider fehlt dieser Würfelei ein bisschen der Kick, der Nervenkitzel, das Zockerelement. Denn fast immer kann man etwas mit seinem Würfelergebnis anfangen, richtig in die Grütze kann es nicht gehen. Aber das ist doch der eigentliche Reiz einer Würfelorgie: dass man auch mal flucht, betet, Schweiß und Tränen vergießt, den Göttern des Spiele-Olymps ein Ziegenopfer darbietet, damit sie die Sechsseiter mit Wohlwollen behandeln. Genau das fehlt diesem Spiel. Und der abwischbare Folienstift für die Spielpläne schmiert, das stört einfach. Erster Eindruck: zu verkopft, zu technisch, es hat nicht gezündet.

Wie klingt Mayonnaise? Sie quietscht. Das beweist Shrimp.

Und weil Sonja Lust daran hat, uns zu verführen, quatscht sie uns noch in einen Neuheiten-Quickie. Na gut, Sonja, weil Du es bist. Shrimp heißt das Spielchen. Wir schmeißen unsere verdeckt vor uns liegenden Karten auf eine der drei Pfannen – und immer wenn die offenen Karten in drei Merkmalen übereinstimmen (Farbe, Größe der Shrimps, Fanggewässer) oder sieben Krustentiere zu sehen sind, gilt es, auf das trötende Mayonnaise-Glas in der Tischmitte zu kloppen, seine Rechercheergebnisse öffentlich per Akklamation anzumelden und die ausliegenden Karten als Punkte einzusacken. Schon wieder hektisch, schon wieder schnell, schon wieder fordernd. Aber eben nur ein Quickie, der einen mit einer gewissen Leere zurücklässt … Erster Eindruck: In der richtigen Runde – warum nicht.

Eine weitere Perle von Pearl Games: Ginkgopolis.

Ein weiterer Tag beginnt. Nach dem Goodie-Donnerstag kommt heute endlich der Man-muss-auch-mal-was-schaffen-Freitag. Weil alle Tzolkin-Tische belegt sind, rüber zum freien Ginkgopolis. Leider hat Pearl Games keine Erklärbären am Heidelberger-Stand, also Selbstschulung. Die Regel ist recht kurz, das Spiel dahinter aber ziemlich gewitzt. Wie so oft bei Bauspielen müssen wir mit unseren Vorräten gut haushalten und dafür sorgen, dass der Nachschub fließt. Das gelingt durch eine logistisch klug ausgebaute Warenkette in der eigenen Auslage. Die wird vergrößert, wenn wir ein bereits liegendes Gebäude mit einem weiteren Stockwerk überbauen. Dann gibt es die Karte des gerade überbauten Hauses und somit in der Folge Boni. Fürs Überbauen zum Beispiel. Oder wenn wir einen Teil der Wiesen und Wälder am Stadtrand planieren und versiegeln. So wächst und gedeiht die Ginkgo-Stadt, am Ende gibt es noch Wertungen für Stadtteilmehrheiten und weitere Details, die zu einem Bauspiel dazugehören. Es geht darum, aus seiner aktuellen Kartenhand, die gemäß des ersten Draftinggesetzes von Runde zu Runde wandert und jeweils um eine Karte von Talon ergänzt wird, den optimalen Zug herauszuwringen. Xavier Georges hat dabei wieder feinstes Kompositorenhandwerk vorgelegt. Erster Eindruck: Der belgische Kleinverlag nimmt seinen Namen sehr ernst und bringt eine weitere Perle heraus.