Ein bisschen splattern am Morgen, vertreibt Zombies und Sorgen.

Geschafft. Quasi. Der Sonntag ist ja so etwas wie das Auslaufen nach dem dreitägigen Messesprint, eine Lockerungsübung, um die Waden geschmeidig zu halten. Keinen Neuheiten-Stress mehr machen, gemütlich durch die Hallen ziehen, gucken, wo ein Tisch frei ist und sich einfach dort niederlassen. Egal, was drauf ist. So ist er, der Messesonntag. Und weil Tzolkin schon wieder besetzt, Noblemen ebenfalls belegt und Seasons im Prä-Messe-Test bei André bereits durchgefallen ist, wird es eben City of Horror. Außerdem: Ein guter Sonntag sollte stets mit Splatter anfangen – und (zumindest in der Erzählstruktur) alphabetisch geordnet sein.

Die Stadt ist verloren. So viel steht mal fest. Wir haben Hilfe gerufen, wir müssen weg, sonst werden wir sterben. Doch erst in vier Stunden ist der Helikopter da, um uns zu retten. Vor den Zombies. Sie sind überall, nur eine Handvoll Menschen gibt es noch, denen die Zombies so gern das Hirn aus dem Schädel fressen würden. Ein paar Waffen sind noch unverbraucht, um die Untoten in Schach zu halten, einige wenige Spritzen mit dem Gegengift, damit wir uns vor dem Virus schützen können. Und solange der Hilfs-Hubschrauber noch nicht da ist, rennen wir zwischen dem Wasserturm, der Kirche, dem kleinen Waffenlädchen, dem Hospital und der Bank hin und her. Immer in der Hoffnung, dass diese Monster einen Mitspieler fressen.

Don’t mess with the Mama (vorne rechts im Bild) – eine Lehre, die in jede Zombie-Ausbildung gehört.

Mit Ghost Stories hat Repos Production schon einmal gezeigt, dass sie Horrorthemen gut können, jetzt kommt Zombies – und man kann sich zusammen gegen die lebenden Toten zu Wehr setzen. Oder auf den eigenen Sieg spielen. Dann darf man allerdings auch nicht mit der Wimper zucken, wenn man den Priester oder das kleine Mädchen über die Wupper jagt – aber es geht schließlich um das eigene Überleben, Baby! City of Horror spielt sich schräg und abgefahren, ist aber in seiner vollen Boshaftigkeit nicht für jede Gruppe geeignet. Zarte Gemüter sollten vielleicht gar nicht erst auf die Idee kommen, es zu spielen. Denn sie sterben nicht einfach nur, sie werden im Überlebenskampf auch von vorne bis hinten betrogen. Erster Eindruck: In der richtigen Runde sicherlich ein spaßiger Splatter.

Eine Horde unerschrockener Abenteuer-Archäologen hat den Tempel betreten – und muss gleich sehen, dass sie schleunigst wieder herauskommt.

Die Queen-Games-Promoter können einem leidtun. Den ganzen Tag trommelt und fiept und gongt und kracht es in Halle 10. Und immer wieder dieses kehlige, aus der Tiefe einer Höhle kommende: ES-CAPE! Wie wir auf der Pressekonferenz gelernt haben, liegen kooperative Spiele und Würfelspiele im Trend. Von daher muss ein kooperatives Würfelspiel so etwas wie das It-Brettspiel der Saison sein. Die Spieler sind in Escape – Der Fluch des Tempels Abenteurer, die aus einem Tempel fliehen müssen. Dazu müssen sie aber erst einmal den Ausgang finden – und der kann auch nur durchschritten werden, wenn möglichst viele magische Steine aktiviert werden. Genau zehn Minuten haben wir Zeit, dann kracht der Tempel zusammen. Wenn dann nicht alle Abenteurer die baufällige Sakralimmobilie verlassen haben, haben alle verloren.

Escape ist ein kooperatives Echtzeit-Hektik-Würfelspiel, sozusagen das It-Brettspiel der Saison.

Damit das Ganze nicht zu einem Spaziergang verkommt, gibt es zwei dramaturgische Kniffe. Nach rund drei Minuten und dreiunddreißig Sekunden und noch mal nach gefühlten sieben Minuten und drei Sekunden gibt es irgendwelche Statikprobleme, die zu Teileinstürzen und Verletzungen der Abenteurer führen können. Lediglich in der Startkammer sind alle in Sicherheit. Es muss also ständig zum Ausgangspunkt zurückgerannt werden. Wer das nicht schafft, verliert einen seiner fünf Würfel. Das ist schon ein ganz schönes Handicap. Die zweite Klippe: Immer wenn ein Würfel eine schwarze Maske zeigt, darf er nicht weitergerollt werden. Erst eine goldene Maske befreit bis zu zwei eigene Würfel oder die eines Mitspielers von dem Fluch – die Spieler müssen sich also gegenseitig helfen, auch beim Aktivieren der magischen Steine.

Gewonnen!

Escape – Der Fluch des Tempels ist eine hektische Echtzeitwürfelei, bei der es lebhaft und laut am Tisch zugeht. In der richtigen Runde herrscht Begeisterung – und nach drei bis vier Partien Erschöpfung am Tisch. Im Grundspiel liegt mit den Flüchen und Schätzen bereits ein anspruchsvolles Erweiterungsmodul bei. Und die Illusions-Erweiterung bietet Räume, die wieder verschwinden, und welche, in denen die magischen Steine nur durch aufwendige Suchen erreicht werden können. Und das ist erst der Anfang, verspricht Queen Games. Erster Eindruck: Ein außergewöhnliches Würfelspiel mit Thrillfaktor (im Boardgamegeek-Voting übrigens auf Platz eins).

In Fremde Federn begegnen wir einigen Nachbarn von Bob, dem Baumeister. Irgendwie fehlt die typische Kalusky-Würze.

In allen Votings ganz weit oben landete auch der neue Friedemann Friese: Fremde Federn. Mit denen schmückt sich der grüne Junge nämlich in seinem neuen Werk. Er nahm einfach die Mechanismen beliebter Spiele und schraubte sie zusammen: Agricola, Dominion und Im Wandel der Zeiten finden sich in der Politik-Simulation wieder in der es darum geht, an Popularität zu gewinnen. Der ursprünglich im Prototyp noch vorkommende Drafting-Mechanismus à la 7 Wonders ist rausgeflogen. Für unseren Geschmack hatte das Spiel allerdings einen kleinen Haken: Man merkt ihm seine Konzentration auf die Mechanismen an, die Geschichte des Politikers im Wahlkampf wird gar nicht erzählt. Zudem fehlen dieses Mal einfach die Grafiken von Maura Kalusky, denn gerade für Fremde Federn hätte der typische Maura-Biss mit seinem popkulturellen Zitatenreichtum die richtige Würze geliefert. Jetzt sehen die Figuren mit ihren rundlichen Gesichtern aus, als wenn sie aus einer Cartoon-Serie im Kinderkanal stammen, als wären sie alle Nachbarn von Bob, dem Baumeister. Schade. Erster Eindruck: irgendwie leblos.

Cowboy-Placement mit Versteigerungen mit Ressourcenoptimierung. Homesteaders bereitet Freunden solcher Aufgaben sicherlich vergnügen.

Spielen bildet. In Halle 5 lernen wir zum Beispiel: „Der Homestead Act (deutsch auch Heimstättengesetz) ist ein 1863 in den USA in Kraft getretenes Bundesgesetz zum Landerwerb, das die einzelstaatlichen Regelungen ergänzte und weitere Rechtssicherheit für die Squatters schuf.“ So, so. Wir sind also Squatter. Meinetwegen. Wir sind mit unserem Planwagen in den mittleren Westen gefahren und können dort Land in Besitz nehmen – wenn wir es mindestens fünf Jahre bewohnen, gehört es uns. Wobei die Neuauflage von Homesteaders an der Stelle die historische Akkuratesse leicht vermissen lässt. Denn wir müssen das Land nicht einfach nur besetzen, wir müssen es ersteigern. Und wir müssen es nicht nur selbst bewohnen, sondern zu einer Stadt ausbauen. Dafür wiederum ist ein guter Einsatz von Ressourcen nötig, die wir in den Gebäuden unserer Stadt erwirtschaften. Das alles ist sauber durchkomponiert, geschmeidig wie ein früher Brian-Wilson-Song, ein gutes Spiel. Erster Eindruck: Eines dieser Kaliber, die man wohl jederzeit ohne Diskussion mitspielt.

Spielen ist besser als die Sendung mit der Maus. Zum Beispiel: Tzolk’in – Der Kalender der Maya. Denn keiner weiß, was das ist, ein Tzolk’in. Also versuchen wir mal jemanden zu finden, der sich damit auskennt. Im Internet gibt es für alle Thema Fachleute. Das ist der Jens. Und das ist der Mario. Die beiden haben eine Seite gebaut, die heißt faszination2012.de. Auf der erklären sie auch einen Tzolkin. Das ist ein Kalender, den die Menschen in Mexiko früher benutzt haben. Diese Menschen waren die Maya. Bei dem Kalender wurde immer ein Tag einer Schutzgottheit zugeordnet. Die Götter hatten teilweise ganz drollige Namen wie Chicchab oder Etz’nab. Um zu sehen, welcher Gott an welchem Tag Dienst hat, wurden zwei Räder miteinander gedreht. So wurde dann jedem Tag ein Gott zugeordnet.

Erst werden die Arbeiter eingesetzt, dann fahren sie Zahnradbahn. Tzolk’in – Der Kalender der Maya war eines der begehrtesten Spiele auf der Messe.

Das mit dem Drehkalender fanden zwei Männer gut, die Spiele erfinden. Nicht solche Simpel-Spiele wie Monopoly oder Uno, das spielen ja nur RTL-II-Gucker. Nein, richtige Spiele, die viel Spaß machen und bei denen man auch nachdenken muss. Der eine Erfinder ist der Simone, der andere der Daniele. Sie haben sich zwar nur ein weiteres Arbeiter-Einsetz-Spiel ausgedacht, also ein Spiel, in dem wir Baustoffe zum Errichten von Gebäuden benötigen oder Mais, um die Arbeiter zu füttern, oder Götter wie die gefiederte Schlange Kukulkan anhimmlen. Oder wir bringen den Göttern kostbare Geschenke wie die Kristallschädel, genau so, wie wir es in Indiana Jones IV gelernt haben. Durch den neuen Zahnradmechanismus vom Simone und vom Daniele ist Tzolk’in aber anders als andere Arbeiter-Einsetz-Spiele. Das mögen nerdige Vielspieler gern. Deswegen ist Tzolk’in auf den Listen der Topspiele von Fairplay und dem Geek auch ganz weit oben gelandet. Erster Eindruck: Anders als andere Arbeiter-Einsetz-Spiele, eine sehr starke Messeneuheit.

So. Das war Essen Zwanzigzwölf bei den Pöppelhelden. Mehr Spiele haben wir einfach nicht geschafft. Vier Tage sind aber auch kurz. Aber im nächsten Jahr wollen wir unsere diesjährige Leistung noch toppen. Und noch mehr spielen. Bis zum Durchdrehen. Jippieh!