Simone und WP

In Essen: Simone im Plausch mit Wolfgang Panning.

Dörverden/Syke, im Dezember. Die Herren haben es noch drauf. Auch nach 30 Jahren Pause wissen sie, wie man Gas gibt. Die Gitarre: drei Akkorde, der Trommler: schuftet im Akkord, Hauptsache hart und schnell und laut, Punk eben, wie damals, Anfang der 80er-Jahre. Damals standen „OH 87“ kurz vor der festen Etablierung, sagt Wolfgang Panning, der Sänger. Was für Punker immer ein zweischneidiges Schwert ist, denn dann müssen sie eigentlich auch dieses Spielchen mitspielen, das sie ja eigentlich ablehnen, Teil des Systems werden, gegen das sie ansingen. „OH 87“ hat es denn auch zerrissen. Was bedeutete, dass Panning seine Kreativität anders kanalisieren musste. Er fing wieder damit an, Spiele zu erfinden.

Wolfgang Panning ist nicht nur Autor, er ist auch Teil des Queen-Games-Teams, Product Development steht unter seinem Namen auf der Homepage. Er ist also einer derjenigen beim Troisdorfer Verlag, die an den Prototypen feilen, sie zur Spielreife bringen, an den Regeln schreiben, über funktionelle Gestaltung nachdenken. Ihm ist es wichtig, dass er ein Teil eines Teams ist. Ein Spiel ist keine One-Man-Show, sagt er, es funktioniert nur, wenn alle mithelfen, wenn die Redakteure Hand in Hand mit den Autoren arbeiten. Spiele entstehen vielleicht im stillen Kämmerlein, aber sie werden und wachsen beim Spielen, in der Gruppe.

Panning beschreibt seine Arbeit ganz unaufgeregt. „Ich kriege ein Spiel auf den Tisch – und mache Vorschläge.“ Wie es designt werden könnte. Wo Ballast abgeworfen werden könnte. Wie Regeln den Rahmen vorgeben könnten. „Am Ende müssen die Ergebnisse stimmen“, sagt der 53-Jährige. Nicht nur, weil sich stimmige Ergebnisse sehr wahrscheinlich besser verkaufen lassen, sondern auch weil „ich meine Seele in die Spiele gebe“. Wer so viel investiert, wird unglücklich, wenn am Ende nichts Gescheites dabei herauskommt.

Panning fühlt sich auch deswegen bei Queen Games so gut aufgehoben, weil sie dort alle so ticken wie er. Und er weiß, wie fatal es sein kann, wenn man alles reinsteckt und am Ende mit den Resultaten unzufrieden ist, dann gibt es keinen Ausgleich mehr für den Einsatz, für all das Herzblut, das in ein Projekt geflossen ist. Das kann einen krank machen. Panning ging es schon mehrmals schlecht deswegen in seinem Leben. Das letzte Mal, vor rund vier Jahren, waren es Queen-Games-Chef Rajive Gupta und der Rest der Mannschaft, die den Architekten wieder aus dem Tal führten. Er spricht deswegen oft von Familie, wenn er vom Verlag redet. Und weil es dort so menschlich zugeht, weil das Miteinander aller Beteiligten so freundschaftlich ist, macht es ihn wütend, wenn Teile der Spiele-Szene im Internet seit einiger Zeit mit großer Freude Queen-Games-Bashing betreiben. „Ich finde, wir machen sehr gute Arbeit. Und einige von denen, die uns kritisieren, wenden meines Erachtens Maßstäbe an, die sie bei anderen nicht anlegen.“

Ein Ausdruck dieser guten Arbeit sind diese kleinen Details, die ein gutes Spiel zu einem sehr guten, manchmal sogar zu einem herausragenden machen. Diesen Schritt zusammen mit dem Autor zu gehen, sieht Panning als seine vornehmste Aufgabe an. Ihm ist es dabei wichtig, Geschichten zu erzählen, eine Spielatmosphäre zu schaffen, die die Spieler in den Plot hineinzieht. Bei Fresko ist das so gut gelungen, dass es dafür sogar den Deutschen Spielepreis gab. „Mit Fresko haben Marco Ruskowski und Marcel Süßelbeck ein wirklich gutes Spiel vorgelegt, nach der Arbeit zwischen den beiden und der Redaktion war es ein Spitzenspiel“, findet der zweifache Vater, der mit seiner Frau und den Kindern in Hoyerhagen lebt.

Zu den Details, die Wolfgang Panning wichtig sind, gehören auch die Gimmicks, die Szenerie. „Ein Computerspiel ist wie Kino, ein Brettspiel ist wie ein Theaterstück. Du kannst einen Monolog auf einer schwarzen Bühne aufführen oder du kannst mit Kulissen einen Raum schaffen.“ Er sägt und malt zusammen mit Grafiker und Autor an diesen Kulissen. Im Fresko-Erweiterungsmodul Der Wunschbrunnen sieht es aus, als wenn die Münzen im Wasser liegen, wenn man sie auf die Rückseite dreht. Es sind diese Details, die die Geschichte unterstützen. „Bei Lancaster sitzen die Adeligen an einer Tafel, die eigene Burg wird wirklich gebaut. Die Dinge, die man im Spiel tut, müssen erfahrbar sein“, erklärt Panning. Das ist der Ansatz. Und mit Queen Games hat er einen Verlag, der bereit ist, so aufwendig mitzudenken. „Man hätte die Ritter in Lancaster auch als Pappcounter mit einer Zahl drauf drucken können. Wir haben Holzsteine genommen, die verschieden hoch sind.“

Auffällig ist, dass der Name Wolfgang Panning häufig auf Erweiterungen zu lesen ist. Bei Fresko, bei Lancaster, bei Der Palast von Alhambra, immer auch: Wolfgang Panning. Das Weiterdenken der Spielgeschichte ist eine große Stärke von ihm. „Die Erweiterungen entstehen in der Arbeit“, sagt er. Ein Erweiterungsmodul ist manchmal einfach nur der Ballast, der auf dem Weg zum schlanken und schnell spielbaren Spiel abgeworfen wurde, und nun, verfeinert, wieder hinzukommt. Oftmals sind es aber auch Erzählstränge, die erst beim Reifeprozess eines Spiels entwickelt werden, es aber zu komplex machen und deswegen vorerst nicht den Weg in die Schachtel schaffen. Bei Samarkand kam ihm die Hochzeitspolitik zwischen den Familien zu sehr wie ein reiner Handel vor, also entwarf er mit Familienbande eine Version, die dieses Element der Geschichte besser erzählt. Bei Lancaster wollten Autor Matthias Cramer und Panning einen größeren Anreiz schaffen, in den Krieg gegen Frankreich zu ziehen, während Pazifisten den König verärgern und deswegen mit Nachteilen leben müssen. Herausgekommen ist mit Heinrich V. ein Historienschinken, der nicht nur Varianz ins Spiel bringt, wenn die alten Pfade ausgetreten scheinen, sondern das Spiel gleich eine Stufe komplexer macht.

Weil er sich so intensiv in das Weiterspinnen des Erzählfadens einbringt, stimmen die Autoren alle zu, dass der Name Wolfgang Panning mit auf der Schachtel stehen soll. Auf der Fesko-Erweiterung hat sich der Verlag auf seine Weise bedankt: Der Glasermeister auf dem Cover erinnert doch stark an den Geschichtenerzähler und Gimmick-Erfinder Panning.

Er betrachtet Spiele aber nicht nur im Gestaltungsprozess wie ein Theaterstück, das es zu inszenieren gilt, er denkt auch analog in Genrekategorien, um zu erklären, wie man an Zielgruppen herangeht. Während die Familie eher etwas Einfaches spielt, sozusagen ein Musical bevorzugt, fahren die Geeks in der Szene auf die großen Dramen und Tragödien ab, sie wollen den ungekürzten Faust oder Shakespeare, am liebsten im Originalenglisch des 16. Jahrhunderts. Und es gibt noch eine Parallele, die ins Bild passt: Spiele sind Theater für das eigene Wohnzimmer, nur dass die Stücke ohne Regisseur aufgeführt werden müssen, die Regeln sind die knappen Regieanweisungen, die es umzusetzen gilt – Spaß ist dann, was die Spieler draus machen. Für ungeübte Truppen ist es deswegen wichtig, keinen zu ausufernden Regelrahmen vorzugeben.

Seine eigenen Spiele fallen eher in diese Kategorie, viele sind Funspiele und keine abendfüllenden Epen. Drei davon wurden sogar mit der Nennung auf der Empfehlungsliste der Spiel-des-Jahres-Jury geadelt: Port Royal, Kardinal und Hexenrennen. Mit seinem jüngst erschienen Maharani hat er dagegen einen echten Hirnverzwirbler geschaffen, denn es gibt zwei Wertungsebenen, die die Spieler beim Fliesenlegen im Taj Mahal beachten müssen. Drei Jahre hat er an dem Spiel gebastelt, die Idee wuchs aus der Arbeit an Der Palast von Alhambra. „Bei Legespielen hat mich immer gestört, dass einige Spieler mit einem Handicap klar kommen müssen: Sie spielen über Kopf.“ Deswegen dachte er sich einen Rondellmechanismus aus, der dafür sorgt, dass die Mosaikplättchen vor jedem Spieler in der gleichen Ausrichtung liegen.

Am besten aber, man taucht selbst mal in die Spielewelt von Wolfgang Panning ein: Am offenen Spieleabend der Pöppelhelden an diesem Freitag, 21. Dezember, ist das ab 20 Uhr in der Matthäus-Kirche in Hundsmühlen (Nordkamp 1) möglich, wenn zahlreiche seiner Werke und Erweiterungen gespielt werden können.