poeppelhelden_logoHundsmühlen, Anfang September. Die Pöppelhelden sind – auch wenn es beim ersten Lesen wie eine üble Schmähung klingen mag – das moderne Formatradio unter den Spieleklubs. Gut, wir haben keinen Frühstücks-Man, dessen Einstellungskriterium ein nicht therapiertes ADHS ist, dessen Stimme immer mindestens 17 Prozent zu gut gelaunt und schon leicht ins Debile überdreht klingt, dessen inhaltsverweste Aufsager bereits um 4.37 Uhr nichts als schmerzendes Gute-Laune-Dampfgeplauder und halbgare Heiterkeiten sind, die sich in die Seele des gesunden Teils der Bevölkerung zu fressen versuchen, um diesem einzubläuen, dass der Mittwoch stets ein hervorragender Tag ist, weil man nur noch zwei Mal aufwachen muss und – heißa! – dann ist schon wieder Wochenend. Nein, so schlimm, so brutal, so abgrundtief wird diese Analogie nicht enden. Aber die Pöppelhelden könnten durchaus auch einen dieser glitschigen Jingles haben, der alle sechs Minuten und siebenunddreißig Sekunden dazwischenplärrt mit dieser Botschaft: „Wir spielen die größten Hits der 80er und 90er – und das Beste von heute.“ Doch was im Radio das untrügbare Zeichen für eine von Programmmachern mit dem Spaten totgekloppte und lange in Vergessenheit geratene Hörkultur ist, verkehrt sich bei den Pöppelhelden ins Gegenteil. Bei uns ist es Ausdruck der Traditionspflege und der geselligen guten Laune bei anspruchsvollem Zeitvertreib. So auch dieses Mal, wie die anwesenden 15 Epikureer der hohen Spielkultur unter Eid bezeugen mögen.

Dieser laue Spätsommerabend war vor allem noch ungetrübt vom Neuheitenwahn der Prä-Essen-Tage, der uns an diesem Freitag, beim nächsten offenen Spieleabend, schon wieder überfallen wird; wenn wir bereits erste Eindrücke dessen präsentieren, was die Marktschreier der eitlen Branche dann im Ruhrgebiet in gewandter Wortwahl als das ultimative „Mussu-habben-Alter-Lan“ wohlfeilbieten werden. So können die Dernier-Cri-Junkies schon mal anschnuppern, was Essen so zu bieten haben wird:

Eine Frage, die vor allem Kunstliebhaber bei Guidlhall-Partien immer wieder umtreibt: Ist eigentlich der Kopf der Tänzerin zu klein gemalt?

Eine Frage, die vor allem Kunstliebhaber bei Guidlhall-Partien immer wieder umtreibt: Ist eigentlich der Kopf der Tänzerin zu klein gemalt?

Guildhall. Zünfte und Intrigen von Hope S. Hwang wird gereicht, ein Pegasus-Kartenspiel für Skrupellose, die sich beim Auf-den-Tisch-Kloppen des Spielmaterials gern anraunzen wie gamsbarthuttragende Bayern im Wirtshaus beim Schafkopfen. Also eine Gaudi.
Mascarade von Bruno Faidutti wiederum arbeitet weniger mit offener Gewalt, sondern mit Hinterlist, die Neuheit der besombreroten Belgier von Repos Production setzt nämlich auf das Hütchenspielerprinzip: „Na, unter welcher Schale liegt die Erbse?“ Vor allem in Runden ab sechs Spielern: lustiger Bluff.
Spyrium wiederum ist das neue, das schwere von Spiel von Monsieur Caylus: William Attia. Natürlich erscheint es im männlichsten aller Verlage, dem mit dem Y-Chromosom: Ystari. Es geht im spätviktorianischen England darum, die industrielle Revolution mittels Fabrikoptimierung zu befeuern.
Edo von Stefan und Louis Malz wiederum ist doch gar nicht neu – stimmt. Aber die 1. Erweiterung, an der auch Wolfgang Panning, der Queen-Games-Veredler, mitgewirkt hat. Während sich die Jiin, also die buddhistischen Tempel, geschmeidig bis unauffällig ins Spiel einfügen, sind die Tokken, also die Privilegien, eine wahre Bereicherung; dagegen können die Ronin, die herrenlosen Ninja, mit ihrer destruktiven Aggro-Grundeinstellung ein wenig nerven.
Karnickel von Brett J. Gilbert ist dagegen so verdammt neu, dass die Pöppelhelden selbst nur einen Prototypen präsentieren können. Bis Essen ist es aber fertig, verspricht das Team von Lookout Games. Das absolut Außergewöhnliche an diesem Spiel: Es ist ein reines Würfelspiel. Bei Lookout. Krass, Alter. Und das Thema: Karnickel werden vom Zug überfahren, ist ebenfalls voll fett, Alter. Passend zu diesem Sujet sieht es übrigens wirklich total niedlich aus.

Und wenn der Zug drüber fährt, sind sie alle, alle tot. Ist natürlich nur ein Scherz: Die possierlichen Möhrennager hoppeln selbstredend schnell von den Gleisen runter, wenn - tschutschu - die Lok anruckelt.

Und wenn der Zug drüber fährt, sind sie alle, alle tot. Ist natürlich nur ein Scherz: Die possierlichen Möhrennager hoppeln selbstredend schnell von den Gleisen runter, wenn – tschutschu – die Lok anruckelt.

Ja, das ist aber erst das nächste Mal dran. Beim jüngsten Spieleabend war von diesem künstlich durch ständige Vorberichte gehypten Neuheitenstress noch gar nichts zu spüren. Nichts. Das lag zum Teil natürlich daran, dass geübt wurde. Zum Beispiel 7 Wonders, denn am 29. September laden die Pöppelhelden ja wieder zum Wunder-Wettstreit, gesponsert von Asmodee. Also wird gleich mal ausprobiert, wie es sich so anfühlt, den großen Titel von Zopfträger Antoine Bauza, den seinerzeit Repos Production auf den Markt warf, jetzt mit Stonehenge und Manneken Pis zu spielen. Nun, im Grunde wie immer.

Ja, ja, die Petra. Sie brachte ihrem Stadtfürsten kein Glück. Irgendwann kommt einfach der Zeitpunkt, um einzusehen, dass man besser den Platz verlässt und Schiedsrichter werden sollte.

Ja, ja, die Petra. Sie brachte ihrem Stadtfürsten kein Glück. Irgendwann kommt einfach der Zeitpunkt, um einzusehen, dass man besser den Platz verlässt und Schiedsrichter werden sollte.

Einige Spieler haben bei den jüngsten Trainingsspielchen auch gemerkt, dass es besser ist, sich auf andere Dinge zu konzentrieren. So wie der nur in der eigenen Fantasie wirklich gute Musiker wegen des ausbleibenden Erfolges Kritiker im Lokalfeuilleton wird und der minderbegabte Balltreter nach Abschaffung der Vorstopper-Position sein Dasein als Konditionstrainer der 2. E-Junioren fristen muss, erkennt der 7Wonders-Loser, dass sein Platz am Laptop ist: zum Ergebnisse eintippen und – Dank der Rolle des allwissenden Schiedsrichters – als mächtiger Königsmacher und Willkür-Diktator. Ja, so soll es sein. Aber trotzdem: schönes Spiel.

Selbst in Sachen Infrastruktur und öffentlicher Daseinsvorsorge gut aufgestellte Weiher schneiden im großen Focus-Ranking der lebenswertesten Kommunen eher schlecht ab, wenn Chefstadtplaner Bodo mit am Tisch sitzt. Schade eigentlich.

Selbst in Sachen Infrastruktur und öffentlicher Daseinsvorsorge gut aufgestellte Weiher schneiden im großen Focus-Ranking der lebenswertesten Kommunen eher schlecht ab, wenn Chefstadtplaner Bodo mit am Tisch sitzt. Schade eigentlich.

Und natürlich hat der Bodo wieder fleißig geübt, schließlich will er ja Europameister werden in Essen. Da er zu Hause seine Mitspieler nur noch unter zweifelhaften, eigentlich nicht zu haltenden Versprechen an den Tisch locken kann, freute er sich auf die Pöppelhelden, weil er bei uns wie immer willfährige Opfer zum Filetieren und Durchgrillen fand, Ahnungslose, die sofort ja sagten, um mit der Keyflower neue Gegenden zu erkunden und das eigene Dorf wachsen zu lassen. Am Ende gewann er natürlich haushoch in einer der besten der zahlreichen guten Essen-Neuheiten des Vorjahres, die wir Richard Breese und Sebastian Bleasdale bei R & D Games zu verdanken haben. Gut, am Ende meinte er zwar ratlos, keine Ahnung zu haben, warum er nun so hoch gewonnen habe, aber das kennen wir noch aus der siebten Klasse. Von dem Jungen, der in Mathe immer so gut war und beim Mannschaftssport immer als Letzter gewählt wurde. Ja, der Junge heulte nach den Klassenarbeiten gern, wehleidigte auf dem Pausenhof herum, wieder nichts gekonnt und bestimmt eine Fünf geschrieben zu haben. Und dann wurde er als einziger vom Lehrer gelobt. Nicht nur wegen der eins, sondern auch, weil er als einziger alle Aufgaben mit Lösungsweg ausgerechnet hatte. Und die Ergebnisse alle doppelt mit dem Lineal unterstrichen waren. Ja, so klingt das auch ein bisschen, wenn der Bodo sagt, dass er jetzt gar nicht wisse, wieso er uns wie niederes Gewürm hat aussehen lassen.

Man muss tierisch aufpassen, um bei Die Paläste von Carrara nicht zermalmt zu werden.

Man muss tierisch aufpassen, um bei Die Paläste von Carrara nicht zermalmt zu werden.

Gut, man muss ihm zugutehalten, dass er bei Die Paläste von Carrara ziemlich genau weiß, wieso er gewonnen hat. Es ist der Lohn der präzisen Analysearbeit, die ihn derart strikt auf die Siegbedingungen spielen lässt, dass er die Partie schon beenden kann, wenn seine ahnungslosen, selbst bei einer Kreismeisterschaft unwürdigen Gegner meinen, gerade den ersten genialen Zug ersonnen zu haben. Diesen Kennerspiel-des-Jahres-Nominierten von Wolfgang Kramer und Michael Kiesling aus dem Hause Hans im Glück gegen Bodo zu spielen, nun, das fühlt sich ungefähr so an, wie einen Hundertmeterlauf gegen Usain Bolt zu wagen oder in die Oberschenkelschere von Xenia Onatopp zu geraten. Sagen wir es mal so: Der Bodo muss sich gar nicht erst wieder auf den Hof trauen, wenn er sein brutal-effizientes Spiel nicht auch mit einer Medaille veredelmetallt. Wenn doch: Gibt es in Zukunft für ihn nur Schlecht-Analysier- und -Optimierbares auf den Tisch, Riff Raff vielleicht. Oder Piraten kapern. Oder Heckmeck am Bratwurmeck.

Bis die Essen-Neuheiten endlich alle da sind, gilt es, die Zeit mit älteren Titeln zu überbrüggen.

Bis die Essen-Neuheiten endlich alle da sind, gilt es, die Zeit mit älteren Titeln zu überbrüggen.

Und jetzt – jetzt überbrücken wir die letzten Tage, bis die ersten Neuheiten da sind. Die, bei denen Bodo noch keinen Vorteil hat, hihi.

Gespielt wurden diesmal: 7 Wonders, Boomerang, Brügge, Crossboule, Die Burgen von Burgund, Die Paläste von Carrara, Just in Time, Love Letter, Keyflower und Ubongo 3D