FiveTribes_CoverHundsmühlen, im September. Hallo, liebe Leute, von A bis Z, von 1 bis 100, von Norden bis Süden, von Osten bis Westen, da sind wir wieder, eure lieben guten alten Pöppelhelden. Ja, lange schwiegen wir, aber endlich haben wir uns entschlossen, eine weitere Staffel zu produzieren und alle Welt (in erster Linie aber natürlich die sehr elitäre wie exquisite Leserschaft dieser Seite) an unserem Tun und Handeln und, ja auch – ach was, vor allem: unser Spielen teilhaben zu lassen. Und mit dem Beginn der neuen Spielzeit bietet sich das an. Es drängt sich auf. Wie sich auch Five Tribes aufdrängt, wie sich die Prä-Essen-Launches der Verlage zwangsläufig aufdrängen. Wobei: Weil die Top Ten des Deutschen Spielepreises bekannt gegeben wurden, haben wir die aus Spielersicht absolut Besten des Jahrgangs ’13/’14 auch alle da, um der großen Kunst der Autoren und Verlage dergestalt zu huldigen.

Die Besten der Besten der Besten, die glorreichen Zehn des Deutschen Spielepreises, lecker angerichtet auf dem Büfett.

Die Besten der Besten der Besten, die glorreichen Zehn des Deutschen Spielepreises, lecker angerichtet auf dem Büfett.

Five Tribes von Bruno Cathala bei Days of Wonder
Im Sultanat Naqala sind die Sitzkissen auf dem Thron erkaltet – wie zuvor schon der Sultan selbst. Da offensichtlich die internen Sultanats-Personalressourcen keinen geeigneten Nachfolger hervorbringen, künden die Headhunter, die damals noch Orakel geheißen wurden, dass von außen jemand komme. Und derjenige jemand, der die fünf Sippen Naqalas am besten nach seiner Wasserpfeife tanzen lässt, darf den Thron besteigen.

Das Interessante an Five Tribes ist der Zugmechanismus. Als gewiefter Thron-Aficionado und Nach-meiner-Wasserpfeife-tanzen-Lasser nehme ich die gesamte Mischpoke von einer Oase, einem Marktplatz, Gebäude oder heiligen Ort und lasse sie durch Naqala wandern. Auf jedem überquerten Quadranten des Stadtplans muss einer zurückbleiben, auf dem Zielfeld gebietet es der gute Brauch (oder war es die Spielregel?), mit einem Sippschafter zu enden, der auf mindestens einen seiner Kollegen trifft. Denn nur im Zweierteam fangen sie überhaupt mir der Ausübung ihrer Pflichten an: Die Meuchelmörder meucheln, die Kaufleute verkaufen, die Wesire visieren, die Baumeister bauen (obwohl ne, sie verschwinden einfach und bringen Geld über die sie ausgezahlte Lebensversicherung) und die Ältesten – testen? Oder so. Ach, ist ja auch nicht so wichtig.

Parken Kamele vor Straßenbegleitgrün, ist das gut. Parken sie vor Palästen, sogar noch besser. Jedenfalls in Naqala.

Parken Kamele vor Straßenbegleitgrün, ist das gut. Parken sie vor Palästen, sogar noch besser. Jedenfalls in Naqala.

Im Grunde bringt alles Punkte: Wer ein eigenes Kamel vor einem der Gebäude geparkt hat, erhält sie, noch mehr wenn dort Palmen als Straßenbegleitgrün gepflanzt wurden oder gar potemkinschen Palastmauern dekorativ herumstehen. Ein bunter Warenmix ist lukrativ, viel Geld zu haben sowieso, Wesire und Älteste werden in Naqala so verehrt, dass sie ebenfalls Punkte bringen. Und dann sind da noch die guten Geister, die einem auch während des Spiels sehr hilfreich sind. Dass sie eine herausgehobene Rolle inne haben, wird subtil bereits durch den Untertitel auf der Schachtel unterstrichen: „Die Dschinn von Naqala“. In unserer Runde am beliebtesten: der Dschinn Tonic.

Achtung, Achtung: Grübel-Alarm wegen oppulenter Auswahlmöglichkeiten.

Achtung, Achtung: Grübel-Alarm wegen oppulenter Auswahlmöglichkeiten.

So interessant der Mechanismus auch ist, er birgt Gefahren. Schon die erste Partie offenbart: Bei Five Tribes herrscht verschärfter Grübler-Alarm. Denn am Anfang gibt es unfassbar viele Möglichkeiten für gute Züge, der Ehrgeizigste will also einen finden, der ihm möglichst nicht nur zwölf, sondern 13 Punkte bringt – ohne dass dabei den anderen Thron-Interessenten eine Vorlage gelegt werden soll. Wie schreibt der an dieser Stelle schon so oft zu Recht hochgelobte Udo Bartsch in einem aktuellen Essay: „Problematisch wird die Grübelzeit nach meinem Empfinden dann, wenn persönliche Vorteile permanent über das Gruppenwohl gestellt werden.“ Aber genau dazu lädt der entzückende Mechanismus leider ein. Warten wir mal, ob Days of Wonder mit diesem Cathala aus Naqala nach Essen noch im Gespräch ist. Die Ausstattung und die Gestaltung würden es aber zumindest rechtfertigen. Und übrigens, eins noch: Danke, Days of Wonder, dass es endlich mal wieder Kamele als Spielfiguren gibt. Fazit: Auf jeden Fall anspielen.

Camelidae - gibt es eine Tierfamilie, die häufiger in Spielen eine Rolle spielt?

Camelidae – gibt es eine Tierfamilie, die häufiger auf dem Brett eine Rolle spielt?

Abluxxen von Michael Kiesling und Wolfgang Kramer bei Ravensburger
Natürlich haben wir nicht nur die Top Ten auf dem Büfett, nein, auch der Preisträger der Essener Feder für die beste Spielregel wird serviert. Ein Preis, den in diesem Jahr durchaus auch Russian Railroads verdient gehabt hätte. Obwohl: Die Abluxxen-Regel ist schon toll. Wieso? Das wird klar, wenn man das Spiel einem Newbie mal eben erklären will. Gar nicht so einfach. Weil dieser Mechanismus so ungewohnt, so anders, so unbekannt ist. Das ist schön. Wobei ich feststelle, dass jemand, der wie ich zum Horten neigt, schlechte Chancen hat, wenn das Spiel plötzlich beschleunigt in seine Endphase schreitet. Jedes Mal fehlen mir mindestens noch fünf Runden, bis ich genial zumachen könnte. Also so richtig genial, so, dass noch viele Spielergenerationen von dieser verwegenen Schlauheit sprechen würden. Schade nur, dass meine Mitspieler nie zulassen, dass es zu diesem Streich kommen wird. Ich muss an meinem Timing arbeiten. Schleunixxt. Hunter & Cron bringen es auf den Punkt: „+ mehrSpieltiefe, als es auf den ersten Blick scheint“.

Man muss schon ziemlich ausgefuxxt und abgewixxt sein, um erfolgreich abzuluxxen.

Man muss schon ziemlich ausgefuxxt und abgewixxt sein, um erfolgreich abzuluxxen.

Big Points von Brigitte Ditt und Wolfgang Ditt bei Schmidt Spiele
Easy Play heißt es auf der Schachtel, was schwer nach Easy Listening klingt, also nach Muzak, diesem Woolworth- und Fahrstuhl-Sound, der nur zu ertragen ist, wenn man nicht genau hinhört. Aber dieses kleine Spielchen mag vielleicht eine easy Regel haben, aber mit easy thinking gewinnste nichts. Man muss es schon schlau spielen. Wer dumm spielt und vorprescht, holt höchstens small points. Deswegen stellte die Jury Spiel des Jahres bereits fest: „Hauptsache, man schnappt den Mitspielern begehrte Chips rechtzeitig vor der Nase weg!“ Jahaha, so neckisch-frech geht es da zu.

Mmmmh, lecker. rote Chips. Wer so verführerisch aussieht, der bringt am Ende auch Big Points im Easy Play.

Mmmmh, lecker, rote Chips. Wer so verführerisch aussieht, der bringt am Ende auch Big Points im Easy Play.

Die Glasstraße von Uwe Rosenberg bei Feuerland Spiele
Ja, die Hardcore-Vorausberechner, sie können sich trefflich aufregen im Bayrischen Wald, wo Riesen in Gehölzen schnarchen und große Knochenfische in Teichen Urlaub machen. Denn wenn es dumm läuft – und damit sie sich aufregen und die Ungerechtigkeit anprangern, muss es dumm laufen –, kommen sie viel seltener an die Reihe als all die anderen. Im besten Fall beschäftige ich ja fünf Dienstleister in meinem Zug, im blödesten Fall aber eben nur drei. Oder sie zwängen uns ihre Dienste dank der Mitspiel-Regel auf, genau dann, wenn die Rohstoffe im Kartoffelkeller noch nicht wieder im ausreichenden Maße aufgefüllt wurden. Das ist: hihi und huhu. Zumindest, wenn es einen nicht selbst trifft. Dass die eigenen Pläne auf diese Weise voll doll gemein kaputt gemacht werden, ist aufgrund der kurzen Spieldauer gerade noch zu verkraften, auch wenn es trotzdem ganz schön nervt. Grandios ist natürlich der Rohstoff-Zweirad-Mechanismus, und mehr Gebäude, als in einem Spiel gebaut werden können, sind auch tolltolltoll. Das mögen wir Spieler. Aber letztlich ist Die Glasstraße aus der Pöppelhelden Sicht nicht Rosenbergs stärkstes Opus und der neunte Platz beim Deutschen Spielepreis verwundert dann doch a bisserl. Wie schrieb es der an dieser Stelle zu Recht hoch geschätzte Monsieur Guido Chefred. Heinecke leicht sibyllinisch: „Die Schmelztemperatur meines Herzens konnte nie Betriebstemperatur erreichen, es ist zu sehr hin- und hergerissen.“ Was zum Teufel das auch heißen mag, es klingt verdammt gut und sexy, typisch Guido eben.

Bei diesen Bewohnern ist man froh, dass die Räumungsklage für das Gehölz per Post zugestellt wird, wenn Platz für schicke Gebäude wie das Kolonisationshaus errichtet werden sollen.

Bei diesen Bewohnern ist man froh, dass die Räumungsklage für das Gehölz per Post zugestellt wird, wenn Platz für schicke Gebäude wie das Kolonisationshaus gemacht werden soll.

Gespielt wurden außerdem an diesem Abend: Camel Up, Kingdoms, Love Letter, Mascarade, Palastgeflüster, Santiago de Cuba, Village, Zug um Zug Europa

Es spielten: Andreas, Bettina, Bodo, Claudia, Christiane, Curt, Gerd, Jens, Markus, Michael, Olaf, Robert, Simone, Stephanie, Stephy, Tobias, Uta, Wiebcke

Weitere Impressionen des Abends:

Happy Birthday to you: Vor zehn Jahren wurde Zug um Zug Spiel des Jahres, gebar zahlreiche Nachkommen wie Zug um ZUg Europa und kam noch gänzlich ohne Tiere aus.

Happy Birthday to you: 2004 wurde Zug um Zug Spiel des Jahres, gebar zahlreiche Nachkommen wie Zug um Zug Europa – und kam noch gänzlich ohne Tiere aus.

Immer wieder ein Privileg, in diesem Fall unter anderem für Simone: Gegen Bodo eine Partie Village haushoch zu verlieren. Heißa, das macht Spaß.

Immer wieder ein Privileg, in diesem Fall unter anderem für Simone: gegen Bodo eine Partie Village haushoch zu verlieren. Heißa, das macht Spaß.

Auch keine Kamele, so gesehen ist Santiago de Cuba gerade ziemlich out. Aber trotzdem wunderschön.

Auch keine Kamele, so gesehen ist Santiago de Cuba gerade ziemlich out. Aber trotzdem wunderschön.

Überraschenderweise hat Torsten Landsvogt der Pick-A-Pig-Familie noch nicht die Variante Pick-A-Camel hinzugefügt.

Überraschenderweise hat Torsten Landsvogt der Pick-A-Pig-Familie noch nicht die Variante Pick-A-Camel hinzugefügt.

Und schon wieder Mitglieder der Höckertier-Familie in einem Spiel, in diesem Fall Camel Up. Die Kamellobby muss unvermutet stark sein.

Und schon wieder Mitglieder der Höckertier-Familie in einem Spiel, in diesem Fall Camel Up. Die Kamellobby muss unvermutet stark sein. Alle Fotos: Andreas Becker