Essen, im Oktober. Unsere Übersicht zieht sich in die Länge, obwohl wir noch gar nicht recht begonnen haben. Tja, Solschenizyn, alter Knabe, widersprechen mag ich Dir da nicht. Aber was ist die Lösung? Dieses permanente Zuviel, das da Internationale Spieltage heißt, wie soll man dem Herr werden? Außer durch ein ebensolches Zuviel, das in Anbetracht des Ganzen immer nur ein Zuwenig bleiben kann. Nastrowje!
André ist, ich glaube, das darf ich an dieser Stelle sagen, schon ein Rüdiger-Dorn-Fan. Mag er einfach, zumindest die meisten (nicht alle) Spiele des Herrn Dorn. Von Steam Time bei Kosmos haben wir in Essen die Finger gelassen, weil ich nach meiner Erstpartie in Roßdorf nicht so hellauf begeistert war. Aber der andere neue Dorn (also außer der schönen Istanbul-Erweiterung), der hat uns doch gereizt, zusätzlich deswegen, weil Haba jetzt wieder auf Familie macht. Das ist neu, tönen ja viele. Das kann nicht sein, tönt das Amazonas in meinem Schrank zurück, 1992 erschienen bei Haba, ab zehn Jahren haben sie auf die Schachtel geschrieben. Also noch mal: wieder Familienspiele bei Haba.
Karuba ist dabei offiziell das Halbweltergewicht im Stall (Spookies – am Freitag gespielt – ist der Bantamgewichtler, Abenteuerland tritt als Mittelgewicht an). Das Karuba-Prinzip nun ist bekannt aus Take It Easy oder Das Labyrinth des Pharao: Ein Spieler deckt eins der 36 Kärtchen auf, das dann alle parallel auf ihrem Plan platzieren. So schlagen wir Schneisen für die Abenteurer auf ihren Expeditionen durchs Unterholz. Das Ziel: Die vier Schatzsucher sollen möglichst die vier Dschungeltempel in der jeweils passenden Farbe erreichen und unterwegs noch ein paar Edelsteine und Goldklumpen aufklauben. Der Witz bei der Sache: Jeder entscheidet für sich, welches Plättchen er verbaut. Lege ich einen Dschungelpfad beiseite, darf ich einen der Forscher so weit laufen lassen, wie ich Weg-Enden auf dem Plättchen habe, also zwei (bei Geraden) bis vier (bei Kreuzungen) Schritte sind drin.
Ersteindruck: Karuba ist easy going, es hat keinen überbordenden Anspruch an die Familien. Es ist einfach schön und gelungen und es macht Spaß – auch wenn es den schier unstillbaren Durst des Vielspielers nach neuen Hirnverrenkungsmöglichkeiten nie stillen wird. Aber wir mochten es sehr.
***
Gefällig sagte der Kollege bei der Redaktionskonferenz der – ich mache jetzt mal schamlos Werbung in eigener Sache – sehr lesenswerten Spiel doch. Er meinte Schatzjäger von Richard Garfield bei Queen Games. Ein Spiel, das ich nach dem Promovideo auf Kickstarter für nicht unterstützenswürdig befand – und es war die richtige Entscheidung. Wer gern ein Spiel möchte, bei dem via Drafting – möglichst bei Draft Beer – ein Kartendeck zusammengestellt wird, der soll doch bitte auf 7 Wonders zurückgreifen. Auch wenn es anfangs vielleicht verwirrend ist. Aber bitte: Es ist das Beste seiner Art. Immer noch.
Schon im Vorjahr hatten ja einige Verlage versucht, den Karten-erst-nach-links-und-dann-nach-rechts-Weitergabemechanismus familienfreundlicher zu gestalten, in dem sie entschlackten. Eigentlich sollten es nur die Regeln sein, die somit simpler würden – doch leider wurde auch die Seele der Spiele mitentschlackt. Sushi Go bei Zoch war einfach nur ermüdend. Die Holde Isolde, dieses Jahr bei Schmidt, vergangenes Jahr noch als Medieval Academy bei Blue Cocker Games, ist mir ebenfalls zu abgespeckt und flach (wobei es André gefällt). Und Ähnliches jetzt bei Queen Games mit den Schatzjägern. Irgendwie mag die richtige Abenteuerstimmung nicht aufkommen, weil es eben keine Questen sind, die es zu bestehen gilt. Sondern wir erfüllen mit den jeweils besten beziehungsweise niedrigsten Blättern rein mechanisch irgendwelche Aufgaben. Vielleicht mag es der Ami, aber für uns Altkontinentler war das nichts.
Ersteindruck: Es fängt schon bei der Gestaltung an. Das Cover ist stimmungsvoll und appetitlich, doch das Innenleben ist karg und spröde. Während 7 Wonders davon lebt, dass jede Runde anspruchsvollere, weiter entwickelte Karten ins Spiel kommen, wird der gleich Kartensatz bei Schatzjäger immer wieder ohne erkennbare Entwicklung durchgespielt. So ändert sich zwar jede Runde das Blatt auf der Hand, aber die zu erfüllenden Aufgaben verharren im Status quo. Und das ist für den Genießer doch zu wenig.
***
Der gestrenge Herr Klein nannte Octo Dice „unausgereift“ in seinem Spam. André und Simon waren sich einig: Wenn das Ding mal jemand auf den Tisch bringen will, lehnen sie dankend ab. Mein erster Eindruck ist ein anderer. Ich stimme zu, dass Octo Dice – die Verwürfelung von Aquasphere, allerdings nicht von Stefan Feld erdacht – sehr kleinteilig, anfangs unübersichtlich, mithin also kuddelig ist. So gesehen ist es eine sehr gelungene Übertragung von Aquasphere auf den Sechsseiter. Ich glaube aber, dass in dem Spiel durchaus Potenzial steckt.
Schließlich dürfen wir – nachdem wir drei Mal gewürfelt und danach jeweils ein Pärchen der insgesamt sechs Würfel herausgenommen haben – genau das machen, was man schon vom großen Bruder kennt. Diamanten sammeln, im Labor Entwicklungen vorantreiben, Bots programmieren und so weiter. Das ist zuerst vor allem verwirrend viel, entfaltet dann aber einen ähnlichen Siegpunktecharme wie Aquasphere. Dabei zeigt sich schnell: Spezialisierung ist nicht verkehrt (wenn denn die Würfel mitspielen). Sicher, um seinen besten Zug zu finden, dauert es manchmal, Grübleralarm ist programmiert; aber aus sechs Würfeln vier möglichst perfekt miteinander zu kombinieren, ist durchaus fordernd. André fand das für ein Würfelspiel zu viel Gegrübel, dann lieber etwas Einfacheres auf den Tisch bringen. Das wäre zumindest deutlich massenkompatibler. Ich glaube, dass das Spiel einen soliden bis reizvollen Charme entfalten könnte, wenn alle Mitspieler ihre Aktionsmöglichkeiten besser blicken, zumal jeder durch die Kopierfunktion stets ein Interesse am Ergebnis seiner Mitspieler hat.
Ersteindruck: Ich würde es gern noch einmal spielen. Auch wenn ich hier eine gepflegte Außenseitermeinung vehement vertrete. Ich glaube, Octo Dice ist gar nicht so mies, wie es jetzt schon einige machen.
***
Dann muss man also erst bis nach Asien in Halle 1 vordringen, um ein recht altes Spiel von Christoph Cantzler und Anja Wrede kennenzulernen: Hai-Alarm!!! Ein niedliches Kartenspiel für Kinder ab acht Jahren. Hai-Alarm löst aus, wer drei Haie mehr als die anderen oder sieben Delfine offen ausliegen hat. In seinem Zug wird eine Karte verdeckt vor einem abgelegt, aufgedreht oder ein eigener Hai mopst eine verdeckte Karte beim Gegner. Das war es schon.
Ersteindruck: Für uns gewiefte Profis war das doch ein bisschen laff. Aber gut, um uns geht es in dieser Nummer auch nicht.
***
Was mag er eigentlich selbst, der asiatische Spieler? Kleines, das wissen wir aus der Sekundärliteratur über Japan, weil die schuhkartonartigen Behausungen des Japanoiden selten Platz für eine 1000 Titel und mehr umfassende Eurogames-Sammlung bietet. Deswegen mag er Kartenspiele. Und wir wissen: Er mag es verrückt. Von daher wird Taiwan Snackbar 2 ein großer Erfolg in den Ländern der aufgehenden Sonne sein – und wir wundern uns. In der Mitte liegt ein Gericht und wir müssen bedienen, mit eben jenem Gericht oder einer Sonderkarte. Solange das gut geht, werden die Kartenwerte addiert, sodass dann irgendwann abenteuerlich hohe Zahlen auftauchen. Wer nicht bedienen kann, der muss so viele Karten ziehen, wie via Karten in der Mitte berechnet wurde. André nimmt sich also einpaarundvierzig Karten. Natürlich stets mit der Gefahr, eine der Völlegefühlkarten wegen des Überfressens zu ziehen. Mehr als Stufe drei verträgt dabei keiner, danach reißt der Verdauungstrakt innerlich in Fetzen, was spielmechanisch gleichbedeutend mit einer Einlieferung ins Krankenhaus und dem Ausscheiden aus der Runde ist.
Ersteindruck: Absurd. Und dadurch im ersten Moment lustig. Aber mal ehrlich: Einen seltsamen Geschmack haben sie da in Asien.
***
Das mit Karuba, das wurde uns gezwitschert. Zumindest dafür ist er nicht schlecht, dieser Hashtag-Kult. Wenn man nur den richtigen Leuten folgt. Und da tauchte auch der Tipp auf, Splash! bei Game Factory aus der Schweiz zu spielen. Sozusagen europäische Asiaten sind sie in der Spiel-Fabrik, denn sie produzieren auch sehr platzsparende kleine Titel. Allerdings: Splash! ist just in Beschlag. Also spielen wir, was auf dem Tisch liegt: Bellz! Ein Beutelchen voller metallener kleiner Glocken liegt in der Mitte. Aufgabe der Spieler: Mittels eines Magneten sollen sie ihre Bimmeln zu sich holen. Wer dies als Erster schafft, singt rabimmelrabammelrabumm und freut sich. Es ist dabei arg verwunderlich, wie stark dieser Satan von Magnet ist – was es vor allem schwierig macht, die Kleinsten unter den Gebimmel-Geschwistern aus dem Glockenpool zu fischen.
Ersteindruck: Ist so etwas schon ein Spiel? Obwohl: Eine immer wechselnde Startaufstellung, ein Wettbewerb und ein nettes Gimmick mit dem Magneten. Und verdammt, es ist eine echte Gaudi, dieses Magnetfischen.
***
Splash! ist immer noch nicht frei. Mist. Also noch ein kurzes Nümmerchen, um die Wartezeit zu überbrücken. Auf dem Tisch liegt noch: Grabolo. Die Spielvorbereitung ist einfach: Die 36 Kunststoffscheibchen lässt man auf den Tisch regnen und los geht es. Einer würfelt zwei Sechsseiter, einen farbigen, einen zahligen. Und die gewürfelte Kombi – die rote Fünf, die schwarze Eins – gilt es zu grabschen. Liegt die rote Fünf schon verdeckt vor Maren, muss ich das als Erster sagen. Habe ich Recht, kommt die Zahl zurück in die Mitte. Wer als Erster fünf Scheibchen gesammelt hat, gewinnt.
Ersteindruck: Ist so etwas schon ein Spiel? Kombi würfeln, Plättchen grabschen; diese Verbindung von Schnelligkeit und Merkvermögen? Vielleicht ist das zu wenig. Aber verdammt, es ist eine echte Gaudi, dieses Grabsch-Gedächtnis-Spiel.
***
Endlich, Splash! ist frei. Jeder Spieler sucht sich sieben Holzteilchen aus: quadratische Scheiben, Oktaeder, kleine oder große Würfel oder Stäbchen. Der jeweils rechts von einem stehende Spieler entscheidet, was ich verbaue – allerdings muss es entweder die gleiche Form oder die gleiche Farbe wie das zuvor Turm gewordene Teilchen haben. Wir bauen immer nur senkrecht, einen astreinen Weltturm, sozusagen. Immer wenn ich meinem Nachfolger ein Teilchen aufs Auge drücke, das er nicht TÜV-geprüft verbauen kann und den Turm dadurch zum Einsturz bringt, werde ich mit einem Leckerli in Form eines nachgemachten Edelsteins belohnt. Blinken drei Leckerlis vor mir, habe ich gewonnen.
Ersteindruck: Ist so etwa schon ein Spiel? Einfach irgendwelche Standardspielmaterialien in die Höhe stapeln? Das ist reichlich wenig. Aber verdammt, es ist eine echte Gaudi und stachelt den Ehrgeiz an, den Turm nicht einstürzen zu lassen.
***
Heckmeck am Bratwurmeck wird heuer zehn Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch. Der Zoch-Verlag hat sich deswegen die erste Erweiterung geschenkt: Heckmeck Extrawurm. Es gibt nun Tierchen, die wir Spieler zumindest hin und wieder bei uns aufnehmen. Zum Beispiel den Wurm, den ich einsetzen kann, wenn ich keinen Wurm gewürfelt habe; oder die Glucke, die meine Würmchen beschützt, solange sie bei mir auf dem Mist scharrt; oder das Gelbe Würfeltier mit drei Würmern und drei Einsen. Zudem gibt es noch eine Elfer- und eine Dreizehner-Portion, die ich genau erwürfeln muss und die mir niemand stehlen darf. Und Extrawürmchen, um mehr Punkte zu machen. Das alles sieht nett aus, spielt sich aber wie Ballast.
Ersteindruck: Diese Erweiterung benötigt kein Mensch. Das ist das Problem so simpler wie genialer Spiele wie Heckmeck am Bratwurmeck: Sie sind nahe an der Perfektion, sie benötigen kein zusätzliches Blingbling. Und genau das ist diese Erweiterung. Sie bringt einfach nur mehr Regeln ins Spiel, stoppt wegen der neuen Möglichkeiten den Spielfluss, sodass die Schnelligkeit, die einen nicht unerheblichen Teil der Eleganz ausmacht, leidet, ohne tatsächlich einen spielerischen Mehrwert zu bieten.
***
Da ist er also, der erste Titel, der versucht, auf der Textiles-Gestalten-Erfolgswelle von Lookouts Patchwork zu reiten: Buttons. Ein Würfelspiel mit Knopf-Annäh-Thema, im Grunde ist es ein Bingo-Bruder in knallig bunt. Schön ist, dass alle Spieler à la Qwixx involviert sind während eines Wurfs. Eines der erzielten Ergebnisse dürfen alle nutzen und mit einem durchsichtigen Button markieren. Der aktive Spieler hat, je nach Qualität des Erwürfelten, mehrere Auswahlmöglichkeiten. Das geht pro Runde so lange, bis alle freiwillig gepasst oder Simon sich verzockt hat, weil er keinen seiner schlecht zu erkennenden durchsichtigen Buttons mehr setzen kann. Wer einige Vorgaben erfüllt, weil er zum Beispiel drei Knöpfe der gleichen Farbe auf seinem Plan belegt hat, bekommt dafür einen Stern. Alle Sterne, die ein Spieler erhält, darf er auf Feldern platzieren, die in der aktuellen Runde von ihm markiert wurden. Wer fünf Sterne durchgängig in einer Reihe oder zwölf insgesamt verbaut hat, ruft Bingo.
Ersteindruck: Nett, in diesem Fall nicht die kleine Schwester von Scheiße. Aber will man ein Date mit einer hausmannskostigen Muddi oder lieber mit einer feurigen Zockerin? Ebent. Die Not muss schon groß sein, damit wir uns für die Muddi entscheiden.
***
Jetzt aber das, weshalb wir uns bei Zoch/Noris niedergelassen haben. Nicht nur wegen der wirklich, wirklich bequemen Stühle (bitte liebe Mitbewerber, kopiert im nächsten Jahr keine Spielideen, sondern dieses Sitzmöbel-Konzept); also niedergelassen hatten wir uns eigentlich wegen André Aussage: 8*28 könne interessant sein. Ist es aber nicht. Wir spielen 17 plus 4 – nur dass unsere Ziele eben die Acht oder die Achtundzwanzig sind.
Ersteindruck: Da kann man besser Black Jack spielen.
***
Die Messe klingt langsam aus, die Hallen leeren sich, ein letzter kleiner Tipp soll noch angeschaut werden: Cornwall bei Schmidt. Ein Legespiel. Wie Carcassonne? Ja. Nur mit etwas aufwendiger geformten Landschaftsteilen. Der Rest? Simpel: Männeken in Wald, Dorf, Wiese, Sumpf oder Gebirge spielen, Gebietsmehrheit sichern, Punkte abgreifen. Im Gegensatz zu Carcassonne habe ich Männeken mit unterschiedlichen Werten und ich bekomme sie nach einer Wertung nicht zurück, sondern muss erst ihre Zeche im Pub bezahlen, wohin die Kollegen nach getaner Arbeit verschwinden.
Ersteindruck: Ich bin ein großer Freund von Legespielen. Wenn man nun bedenkt, dass an Carcassonne bislang kein Legespiel wirklich herangekommen ist, sollte man einen anderen Vergleich wählen. Und da fällt mir zum Beispiel auf, dass Cacao bei Abacus das Spielprinzip viel besser aufgegriffen hat. Von daher wird Cornwall – bei aller Schönheit – keine Rolle in meiner weiteren Legespielfamilien-Planung spielen.
Oktober 14th, 2015 on 07:24
Meine kurze Meinung zu OctoDice:
Von den Regeln her einfach und schnell begriffen. Da kommt was rüber und die einzelnen Elemente wollen gezockt werden. Sehr passend sind die Zwänge und alles.
Und zu zweit macht das auch Spaß.
Aber: Wenn es mit mehr als 2 Spieler gespielt wird kommt da ganz schön Downtime zusammen. Wenn der erste Spiele hinter mir schon eine tolle Kombi hat und ich die nehme, dann kann ich bei den anderen beiden Spielern nur zusehen. Das kreide ich dem Spiel an. Und downtime bei einem Spiel zu empfinden, welches nur so kurz ist, verwässert schon sehr den Eindruck.