Blog-Buch der Pöppelhelden,
Dänemarkzeit: 09954ZT3 (oder so).
Ist das normal? Wir sind eine in Woche Dänemark, die Ostsee streichelt sanft plätschernd einen hübschen Strand, an dem auch ein Schwan wohnt, die Sonne scheint, als hätte sie‘s gewusst, unser Haus sieht aus, als hätte der Architekt aus einem Astrid-Lindgren-Buch abgemalt. Kurz: Es klingt nach einem fantastischen Urlaub, nach sonnen- und salzwassergekitzelter Haut. Und was machen wir? Wir spielen. So viel wie möglich. Und meistens drinnen, weil der Wind von der Ostsee so rüberpfeift, dass es nur so eine Art hat. Zugegeben, klingt grenzwertig. Aber echte Spieler werden denken: Iiieehh: Ostsee. Iiiieehh: Sonne. Natürlich sitzt man da drinnen am Tisch und spielt. Was denn sonst, denkt der Spieler und versteht nicht, dass er nicht verstanden wird, wobei er meistens ja gar nicht weiß, dass er nicht verstanden wird, weil ihm andere Lebensentwürfe oft so fremd sind. Aber ich schweife ab. Anstatt Farbe zu bekommen, wird man also noch käsiger. Gut: Fällt man im Oktober wenigstens in Essen nicht so auf.
Wir, das sind übrigens Birthe und Michael, Maren und André, Simone und Andreas. Die Pöppelhelden erstmals größer auf Tour – und erstmals mit Reisetagebuch. Aber das wird sich ändern, Homepages müssen gefüttert werden. Und unsere sieht im Moment noch so aus wie ein Ficus Benjamini in einer verrauchten Junggesellenbude.
Zum Aufwärmen gab es am ersten Abend eine hervorragende Aufwärmübung für Sechserrunden: 7 Wonders. Und wieder die Erkenntnis: Dafür sollte der Herr Bauza einen Preis bekommen. Egal, ob von der Kenner- oder Kinder- oder Wasauchimmer-Jury. Hauptsache Preis. Denn bisher hat sich der Spaß, aus 18 Karten einen kleinen Staat aufzubauen, der so toll ist, dass einen alle beneiden, nicht verbraucht. Gut. Es gibt eine sichere Siegstrategie, aber das Geheimnisse kenne ja nur ich: auf die Wissenschaft setzen. Der Geist ist die mächtigste Waffe. Dazu noch etwas Handel. Pazifismus wird am Ende gewinnen, liebe Brüder und Schwestern. Der höhere zivilisatorische Reifegrad setzt sich durch.
Ja, dieser Plan ist grandios. Ich habe haushoch verloren, beschämend versagt, seit Atlantis ist keine Kultur mehr so untergegangen wie meine. Was aber sicherlich nur an einem lag: dem Weltwunder. Wie soll man mit dem Artemis-Tempel in Ephesos bitte schön gewinnen? Ebent! Und dann auch noch auf die friedfertige Tour. Dass Simone allerdings mit der Wissenschaftsstrategie und ohne Militär gewonnen hat, ist verwunderlich. Ein Zufall! Es kann nicht anders sein. Die Pazifismus-Handel-Akademiker-Strategie ist nämlich Müll.
Deswegen in der zweiten Runde ein Reset, eine Neuausrichtung. Mit Olympia als Weltwunder im Kreuz geht alles viel einfacher. Ganz bestimmt. Und als guter Herrscher lernt man ja von den Fehlern. Erste Regel: Beglücke dein Volk. Es will keinen Handel, es will keine Wissenschaft, das Volk denkt nicht, es will unterhalten werden und wissen, dass der Mann an der Spitze kein zimperlicher Frotteebademantelträger ist. Also: Aufrüsten, Prunkbauten in die Stadt setzen – und mit den richtigen Gilden kräftig beim Nachbarn schmarotzen. Das ist die neue Dreiwettertaftformel, die Siegpunkte sitzen. Brot und Spiele – und wenn zu viele kritisch nachfragen, warum die Staatsmilliarden ständig in neue Kasernen fließen, lenke sie mit einem Krieg ab. Das Spiel funktioniert wie das wahre Leben, wie die große Politik. Ich bin ein guter König.
Exkurs I: Bei dem Spiel beweist der Herr rechts von mir (Name der Redaktion bekannt) übrigens auch sein Weltwunderpotenzial. Nach Konsum einiger Maiböcker entwickelt er eine bemerkenswerte Intensität bei der Produktion von Körpergeräuschen, es klingt wie eine von John Cage inspirierte Interpretation einer Sinfonie für vier Dudelsäcke und Bassdrum. Wobei sich das Phänomen sicherlich so erklären lässt, dass das alkoholangereicherte Kaltgetränk ob seiner größeren Dichte dafür sorgt, das Magenluft entweichen muss, die sich naturgemäß den einfachsten Weg sucht. Faszinierend ist dabei das synästhetische Erlebnis: Man kann die Geräusche riechen. Es erinnert ein wenig an eine Mischung aus wochenaltem Blumenwasser, gerade vom Winterreifen gekratzte Igeleingeweide und einer benutzten Herrentennissocke.
Exkurs II:Faszinierend auch die Entdeckung einer neuen Pils-Sorte, Hemelinger, mittlerweile nicht mehr nur als Schankbier, das in Fachkreisen auch gern als „Maurerplörre“ gewertschätzt wurde, erhältlich. Hemelinger jetzt auch als Pils, lecker, süffig – und hopfig. Der Magenluftpoet von nebenan kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. „Das riecht aber auch hopfig“, sagt er. Immer und immer wieder. Als hätte er BSE. In Mitspieleraugen blitzt es, Fantasien von blutigsten Gewalttaten spuken in ihren Hirnen. Verständlich. Ich habe ihn aber durchschaut: psychologische Kriegsführung. Zu plump, mein Lieber. Der König von Olympia lässt sich weder aus dem Konzept quatschen noch in die Niederlage stinken. DAS ist wahre Größe
To be continued …
Neueste Kommentare