Im Grunde meines Herzens bin ich ein nerdiger Zwölfjähriger. Denn: Ein Indiana-Jones-Hut als Startspielermarker? Wie geil ist das denn? Mit anderen einen Dschungel erforschen, der von Gewässern, Gebirgen, Geröll und Gedörf durchzogen ist? So cool!
Das Setting stimmt also. Der Rest aber auch. Dabei hatte ich den guten alten Dr. Knizia nur noch als Rentier mit dem Hobby Drittverwertung gesehen. Aber die alten Männer und ihr Spätwerk: Goethes „Faust II“, Dylans „Love and Theft“, Milberg Erzähler bei den ???. Dabei hat Knizia vor allem klug geremixt: Ein kartengetriebenes Wettrennen plus Deckbuilding klingt erstmal nicht so fetzig. Aber es funktioniert richtig gut.
Unser Grundgerüst ist eine achtköpfige Karten-Crew, vier davon haben wir pro Runde zur Hand: um zu laufen, um zu kaufen. Will ich beispielsweise in den spärlich bewachsenen Dschungelpfad Stufe eins einbiegen, reicht der entsprechend starke Forscher noch. Später kommen aber Wald-, Wasser- oder Weiler-Wege, auf denen Schluss mit Spaziergang ist.
Da fürs Laufen jeweils nur eine Karte ausgespielt werden darf (beim Kaufen dürfen es mehrere auf einmal sein), brauche ich für einen Dreier-Dschungelpfad jemand mit ordentlich Muckis wie den Entdecker, der dank seiner mächtigen Machete auch dort eindringen kann. (Copyrightvermerk: Der schnöde Schniedel-Scherz stammt aus dem Spiel; es gibt sie wirklich, die mächtige Machete …) Ich muss also auch neue Leute anheuern. Nur: Das kostet Zeit. Was im Rennen weh tut. Noch schmerzhafter ist es aber, vor einem Nadelöhr festzustecken, weil beim Nachziehen nur schwache Startkarten auf die Hand kommen. Ein verlorener Zug! Argh!
Der Wettlauf an sich ist schon spannend. Wie sinnvoll Deckoptimierung ist, zeigt sich im Endspiel, wenn ein hoher Durchsatz starker Karten für ein Herzschlagfinale sorgt. Das Spiel ist zudem wegen des modularen Aufbaus maximal variabel und eine erste Mini-Erweiterung wird gleich mitgeliefert. Das ist wirklich große Kunst von Alt-Meister Knizia.
Wettlauf nach El Dorado von Reiner Knizia, 2017 bei Ravensburger Spieleverlag für 2 bis 4 Spieler ab 10 Jahren, in schönster Abenteurermanier illustriert von Franz Vohwinkel; Dauer: circa 60 Minuten; Preis: rund 32 Euro; Einstieg: mittel
In unserer Reihe Auf einen Caffè corretto mit … spielen André und Andreas in einer Frühstückspause pro Woche ein kleines Spiel für den Hunger zwischendurch. Dabei kommen nicht immer fundierte Bewertungen, sondern auch Beschreibungen von brutal subjektiven, aber deswegen vielleicht auch irgendwie korrekten Bauchgefühlen heraus – nie länger als 2000 Zeichen. Zuletzt: Mein Traumhaus.
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