Ruhm für Rom
Von Carl Chudyk
Die Nacht vom 18. auf den 19. Juli 64 vor Christi Geburt war für Rom, man muss es wohl so sagen, eine eher beschissene. In jener Nacht brach das große Feuer aus, dessen Flammen neun Tage loderten, zehn von 14 Stadtteilen angriffen und drei sogar ganz auffraßen. In der Legende heißt es, Kaiser Nero selbst hätte gezündelt. Aber er war gar nicht zu Hause, die Geschichtsschreibung ist sich einig: Er hat ein passables Alibi. Aber ein Schuldiger musste her, Nero entschied sich für die Christen. Egal.
Denn Christen-Verfolgung kommt in diesem Spiel gar nicht vor. Trotzdem ist es sehr gelungen. Rom muss also wieder aufgeräumt und aufgebaut werden. Das frisch erstellte Baulückenkataster zeigt: Platz genug ist vorhanden. Nun kommen die zwei bis fünf Patrizier ins Spiel. Und die 198 Karten, die trifunktional sind. Entweder nutzt man sie als Baumaterial. Oder als Gebäude, das, wenn erstmal die Schlüsselübergabe stattgefunden hat, Sonderfunktionen mit sich bringt. Oder man nutzt die Karte als Rolle, womit Bewegung in die Sache kommt.
Da sind beispielsweise die eher handwerklich begabten Arbeiter, Baumeister oder Handwerker, dienstleistungsorientierte Berufsgruppen wie der Kaufmann oder der Legionär oder einfach der reiche und eher arbeitsscheue Freundeskreis aus Patronen. Und die Senatoren, die laut Regel alles können (natürlich, wie Bundestagsabgeordnete, die können natürlich auch alles …).
Wenn ein Spieler eine Rolle gewählt hat, können es ihm alle anderen gleich tun (oder sie denken nach, was sicherlich eine der schönsten je gefundenen Formulierungen für „Kartenhand auffüllen“ ist). Der Anführer (ein weiteres hübsches Synonym, in diesem Fall für den Startspieler) –der Anführer also spielt aus seiner Kartenhand einen Arbeiter und darf sich dafür aus dem wilden Ablagehaufen in der Tischmitte (und wieder schön: Umschlagplatz) ein Baumaterial nehmen und es ins Lager schleppen. Finden sich im eigenen, mit Hilfe des Patrons aufgebauten Klientenstamms weitere Arbeiter, lässt sich die Aktion entsprechend oft wiederholen – wenn denn zuvor genug Material umgeschlagen wurde. Das Prinzip funktioniert analog mit allen Rollen, nur wenn der Anführer den Denker mimt, kann ihm keiner folgen.
So also wächst Rom. Immer mehr Gebäude entstehen, immer mehr Zusatzfunktionen kommen ins Spiel, es wird wieder so wuselig und auch unübersichtlich wie vor dem großen Feuer. Neubürger mag das überfordern, denn man muss sich erstmal in diese Vielfalt reingrooven. Aber wer Vielfalt mag, Lust hat, die vielen unterschiedlichsten Zusammenhänge zu entdecken, der wird sich wohl fühlen in Neu-Rom.
Und ja: Man benötigt auch Glück, um mal im richtigen Moment die richtigen Karten auf die Hand zu bekommen. Das kommt bei einem Kartenspielen jetzt aber auch nicht vollkommen überraschend. Störend wirkt das aber ganz und gar nicht. Zu behaupten, deswegen sei alles zufällig, ist nichts als eine reine Schutzbehauptung. Vielleicht führen nicht alle Wege zum Sieg, aber doch schon reichlich viele.
Schön ist dabei, dass man möglichst auf allen Hochzeiten tanzen muss, um am Ende der tollste aller Patrizier und Neros Liebling zu sein. Denn bauen allein reicht nicht. Am Anfang scheint es verlockend, einen auf Baulöwe zu machen. Allein schon, weil die Auslage so schön gedeiht. Und ja, da sind auch all die glitzernden Sonderfunktionen, die einen schnell blenden. Aber ohne Patronatshilfe, also einen großen wie hilfsbereiten Bekanntenkreis, wird es nichts mit dem Sieg. Und auch wer den Kaufmann nicht ehrt, ist des Sieges nicht wert. Spielentscheidend ist am Ende meistens der Inhalt der Privatschatulle, die der Kaufmann füllt. Da wiederum ist es clever, dass der Bekanntenkreis und das Privatschatullenfassungsvermögen nur immer so groß sein dürfen, wie das eigene Standing in der Stadt (dieses Mal gemessen in Einflusspunkten). Und das wiederum wächst jedes Mal, wenn man die Einweihung eines neuen Gebäudes feiert. Das zeigt: Es führen nicht nur viele Wege nach Rom, man muss auch möglichst auf allen unterwegs sein.
André sagt: Eine unbedingte Kaufempfehlung, ein großes Spiel für einen sensationell kleinen Preis.
Carl Chudyk: Ruhm für Rom, Lookout Games 2011, Art Director: Igor Wolski (Boat City)/Klemens Franz (atelier 198); 2 – 5 Spieler ab 12 Jahren, Spieldauer: 60 Minuten; Inhalt: 198 Karten, 7 Holzmarker, 5 Spielertableaus, 1 Spielregel; vom Verlag empfohlener Verkaufspreis: 19,95 €
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