Schlag den Raab

Am 4. Juli haben sich wieder 21 Pöppelhelden zu ihrem offenen Spieleabend in der Matthäus-Kirche zu Hundsmühlen eingefunden.

Doch für einige schien der liebe Spiele-Gott ein auf den ersten Blick gruseliges Thema ausgesucht zu haben: Verspielungen von Fernseh-Shows. Das fällt normalerweise unter die Rubrik „Dinge, die die Welt nicht braucht“ (in diesem Fall handelt es sich übrigens um Folge 31 der beliebten Reihe). Bekannt dafür sind Verlage wie Clementoni oder Noris, die sich gern die Lizenzen für irgendwelche Quizshows sichern. Oder gar anderen TV-Trash wie „Germany’s Next Model“ auf den Tisch bringen. Die Gier nach dem schnellen Euro treibt die Produktmanager in diesen Wahn. Spielerisch ist das meistens das Äquivalent einer Modern-Talking-Platte. Und bereits ein halbes Jahr nach der Veröffentlichung wird „Quiz-Taxi – Das Brettspiel“ als Hauptgewinn an der Entchen-Angeln-Bude auf dem Jahrmarkt verramscht. Schlimm. Der Homo ludicus elegans rümpft die Nase, das ist ein gut antrainierter Reflex.

Dieser Reflex führte auch umgehend zu Rümpfungen und Zuckungen, als Ravensburger „Schlag den Raab – Das Spiel“ in den quadratischen Standardkarton packte. Es war ein Sakrileg, der altehrwürdige Verlag aus dem Süddeutschen gibt sich dieser billigen Masche hin, die Inquisitoren der Heiligen Europäischen Kirche des anspruchsvollen Zugoptimierens sahen das Abendland in Gefahr. Ja, so war das. Aber wer sich dann doch mal über das Dogma hinwegsetzt und einen Blick riskiert, wird feststellen: Der Reflex ist unangebracht. „Schlag den Raab“, mittlerweile schon im Doppelpack erschienen, ist gut, ein wunderbar alberner Gemischtwarenladen, den nur Stock-im-Arsch-Haber nicht mögen werden. Wer sich auch gern mal gehen lassen mag, sollte es spielen.

Was den Blick auf diese Perle des Partygenres auch verstellen könnte, ist der Namensgeber. Raab spaltet die TV-Nation. Erstens weil er so unlustig und schlecht vorbereitet wie in „TV total“ sein kann. Und zweitens weil er so grandios langweilig wie in „Unser Star für Baku“ sein kann. Einerseits. Andererseits beschert er als einer der wenigen noch große TV-Momente, auch das ist Raab. Keiner hat im vergangenen Jahrzehnt in der Samstagabendunterhalt so dominiert wie er und gezeigt, dass das tot geglaubte Genre der großen Familienshow lebt. „Schlag den Raab“ ist da neben Autoball-EM, Wok-WM oder Turmspringen nur ein Beispiel.

Das Prinzip von „Schlag den Raab“ ist ganz einfach: Raab spielt gegen einen Kandidaten Kindergeburtstag. Und all das hat Ravensburger in zwei Schachteln gepackt. Wobei viele Spiele sensationell gut übertragbar sind. Zum Beispiel „Schätzen“ oder „Buchstabieren“. Da werden ein paar Karten bedruckt, fertig. Wer bei „Schätzen“ mit seiner Zahl näher am richtigen Ergebnis liegt, kriegt den Punkt. Und da Stefan das Buch „Unnützes Wissen“ nicht nur gelesen, sondern offenbar auswendig gelernt hat, latzt er Bettina am Mittwoch auch wundervoll ab, ein Sieg für Rot. In der Matchballfrage geht es um die Körpergröße des größten Menschen, der jemals gelebt hat (und demnach wohl auch vermessen wurde). Stefan weiß es – und Bettina liegt nur einen Zentimeter daneben. Herrlich. Da wird gegröhlt, gefeixt und lustiges Gegnerbashing betrieben. Es zeigt sich: So ein Etappensieg ist immer der richtige Zeitpunkt für ein Verrückter-Professor-plant-die-Weltherrschaft-zu-übernehmen-Lachen: Haha-HAAAAAAAAAAAA!!!!!!!

Als eigenständiges Spiel würde das nicht tragen, spätestens nach zehn Minuten wäre es öde, noch mal eine Frage wie „Wie viele Meteoriten fallen jährlich auf die Erde?“ zu beantworten. Als eines von maximal 15 Spielen, wenn wie in der Live-Sendung über die volle Distanz gegangen wird, funktioniert das aber tadellos. Die kleinen Spielchen sind abwechslungsreich und unterhaltsam, am Ende steht ein vergnügliches Großesganzes. Da stört es in der Teamvariante auch keinen, dass er gerade zuguckt. Denn man fiebert für seine Mannschaft mit, zudem dauern die kleinen Spiele alle nicht lange.

Schwieriger tut sich die Brettspiel-Adaption da, wo bei „Schlag den Raab“ auf Action gesetzt wird. Natürlich passt in die Schachtel kein Mountainbike und kein Outdoor-Crossparcours. Aber auch die Geschicklichkeits- und Aktionsspiele funktionieren meist ordentlich. Vor allem dann, wenn es Kneipenspiele wie „Chipflip“ sind. Dabei muss der Chip von der Tischkante in den Becher geschnipst werden. Mehr nicht, kann auch jeder einfach so zu Hause nachbauen und spielen. Und großartig ist es trotzdem. Vor allem wenn André den Sieg für Rot holt – durch ein bis zum letzten, dem siebten Versuch gehaltenes 1:0. Beim „Schnibbeln“ gilt es, einen Bierdeckel über drei Meter in den Schachteldeckel fliegen zu lassen. Peggys Frisbee-Erfahrung von der Hundewiese zahlt sich aus, sie holt für Blau den Triumph. Spiele wie „Squash“ sind mit dem kleinen Schwammball zwar intelligent geschrumpft worden, aber so richtig cool ist das dann doch nicht. Lieber Lustiges wie „Pusteball“, bei dem es darum geht – Überraschung! –, das Bällchen beim Gegner über die Tischkante zu pusten. Das ist ziemlich witzig. Und meist auch recht feucht, man könnte es auch „Spuckeball“ nennen. Wundervoll auch: „Das Ei“. Die Spieler müssen einen eiförmigen Flummi aus Brusthöhe fallen lassen und nach der Bodenberührung fangen. Oder: „Balancieren“. Ein Spiel bei dem man ein Lineal auf zwei ausgestreckten Fingern möglichst länger als der Gegenspieler balancieren muss.

Andreas beim Balancieren - das sieht dann doch eher aus wie der Homo ludicus unelegans.

Andreas beim Balancieren - das sieht dann doch eher aus wie der Homo ludicus unelegans.

Das alles zeigt schon: „Schlag den Raab“ ist ein kleiner Baukasten, der aus sich heraus bereits viel Spaß bietet. Der darüber hinaus dazu einlädt, selbst Ideen zu entwickeln und in das Duell einzubauen. Vor allem lassen sich die schwer übertragbaren „Aktschn-Spuile“ (A. Schwarzenegger) leicht ersetzen. Wer eine Dartscheibe oder eine Tischtennisplatte sein Eigen nennt, bindet die mit ein. Oder man holt sich das sehr schöne „Crossboule“ von Zoch dazu. Oder mit dem Fremdwörterduden spielt man das „Lexikonspiel“. Das Brettspiel wird so zur Inspirationsquelle, die weit über die simple Etablierung einer Hausregel im Strategiespiel hinausgeht.

Wundervoll lief in der Kirche übrigens auch „Lieder malen“, bei dem Bettina leider einen schlechten Start erwischte. Zwar kam sie zuerst auf Grönemeyers „Flugzeuge im Bauch“, als sie Andrés Verkehrsjet und das Strichmännchen mit Wampe interpretierte, aber es reichte nicht. Sie hatte schon vorher auf „Über den Wolken“ getippt. Falsch geraten, Punkt für den Gegner, ganz wie im Fernsehen. Mit mehr Geduld wäre es ihr Punkt gewesen, denn Andreas suchte – in vollkommener Fehlinterpretation der Skizze, die in manchen Teilen doch arg an sehr frühe Höhlenmalerei erinnert – im Fremdsprachenzentrum seines Hirns ewig lange nach einer stimmigen, popsongkompatiblen englischen Übersetzung für „Flug-Hoden“. Das zeigt: Wie auch die Sendung eigentlich sehr sehenswert sein kann, ist „Schlag den Raab – Das Spiel“ sehr spielenswert. Sogar für den Homo ludicus elegans.

SdR Lieder malen - Flugzeuge im Bauch

SdR Lieder malen - Flugzeuge im Bauch

Außerdem wurden gespielt: Artus, Das 20. Jahrhundert, Drecksau, Funkenschlag Fabrikmanager, King of Tokyo, Kingdom Builder, Pandemie, Thurn & Taxis, Vegas und Würfel Zooloretto