Essen, 23. Oktober. Am ersten Tag geht es in Essen ja sowieso vor allem ums: Essen. Morgens die Pressekonferenz mit Schnittchen und Suppe (wobei die Pilzcrème doch ein bisschen der Würze zu viel abbekommen hat), und abends dann das Büfett bei der feierlichen Preisverleihung. Das wiederum war wirklich köstlich, die kleinen Kalbsrouladen, der Vorspeisen-Salat mit Shrimps, die Terrine an Tomatensauce. Ach, so lässt es sich aushalten. Obwohl: Selbst das kalte Stück Pizza nachmittags beim Besuch am Lookout-Stand war nicht verkehrt. Zumindest kam es genau zur rechten Zeit, um einen Hungerast und eine damit unweigerlich verbundene Schlechte-Laune-Attacke zu vermeiden. Dafür: Danke, Yanina.
Und sonst? Nun ja, sonst ist der erste Messetag geprägt von körperlicher Nähe und Gedränge bei der Neuheitenschau, wenn sich Horden von Journalisten an den Ständen der Verlage vorbeischieben. So viele Journalisten, aber immer nur so wenige Berichte in den etablierten Medien. Da muss man sich schon wundern, wie das zusammenpasst. Der Weser-Kurier zum Beispiel hat berichtet. Aber sonst. Die meisten sind wohl vor allem Blogger und Suppe-Schnorrer. Es sei ihnen aber von Herzen gegönnt.
Und weil die Gespräche an diesem ersten Essen-in-Essen-Tag vor allem privater wie informeller Natur sind, seien an dieser Stelle erstmal nur erste Impressionen aus dem Pott geliefert (wenn auch mit Verspätung ob des ausgefallenen Internets in der Mietwohnung).
Na, ist sie zu sehen, diese teuflisch-böse Maserung, die das ganze Spiel kaputt machen soll, wie die alten Lästerer aus der Profi-Zunft geschrieben haben? Dank leichter Tiefenunschärfe sieht Zochs Auf Teufel komm raus ziemlich ordentlich aus.
Lookout maritim: Der Schwerpunkt geht eindeutig in Richtung Meer. Während wir in Bremerhaven von den logistischen Vorteilen des Seewegs noch wirtschaftlich profitieren, verfluchen wir den Ozean spätestens in Náufragos wegen seiner immanenten Vereinsamungstendenzen.
Kann man nicht essen, kann man auch nicht in die Kapsel-Kaffeemaschine am Arbeitsplatz stopfen. Aber mit Cappuccino von Pegasus lässt sich – zumindest optisch wie haptisch – ganz wundervoll spielen.
Zwar ist die farbliche Grundstimmung auf dem Concordia-Cover von PD-Spiele eher depressionsfördernd, aber das wird durch das Lächeln der holden Göttinnendarstellerin wieder wettgemacht. Trotz hoffnungslos altmodischer Haartracht.
Náufragos
Der neueste Schrei sollen App-gestützte Brettspiel mit Smartphone- respektive Tablet-Assistenz werden. Kosmos will das unter anderem mit Die drei ??? und der Feuerdiamant beweisen. Der Vorteil: mehr Abwechslung. Der Nachteil: Karten mit dem Kleincomputer jedes Mal einzuscannen, verhindert aber auch so richtig jeden intimen Annäherungsversuch zwischen Spieler und Spiel.
Ganz ohne Computerunterstützung kommt Habas Vulkan in den Feuerdrachen aus. Und es könnte trotzdem ein richtiges cooles Spiel werden.
Einmal Falter süß-sauer, bitte. Friedemann Friese erklärt der Fachpresse aus Fernost, wie seine Solitärrätsel funktionieren. Pünktlich zum Messestart wieder ordentlich begrünt auf dem Kopf.
Fünf Gurken im Schritt – war das nicht ein deutscher Spielfilm mit eher mäßigen Dialogen aus den Siebzigerjahren? Egal: Frieses Gurken sind niveauvolle Stichkunst.
Eine eherne Regel der Spielebranche besagt, eine ertragreiche Kuh so lange zu melken, bis das Euter schrumpelt. Deswegen gibt es zum Beispiel bei Zoch Geistesblitz 5 vor 12.
Nur einer von den beiden sieht so aus, als würde er, wie die Meeple in Glück auf, gleich in den Schacht einfahren. Die entscheidende Frage dabei ist aber, warum sich der Hals-Nasen-Ohren-Arzt links im Bild eine Taschenlampe an den Hut geknotet hat.
Spielmaterial-Origami als zusätzliches Spaßprogramm wird bei Golden Horn gleich mitgeliefert. Sieht ja einfach immer gut aus, so ein Spielgerät, das nicht nur zweidimensional ist.
Weil es für die Großmutter ja vielleicht unbefriedigend ist, dem Enkelkind nur ein kleines Kartenspiel unter den Weihnachtsbaum zu legen, hat Abacus schnell Abhilfe geschaffen und ein Hanabi Deluxe gebaut. Da ist die Oma zufrieden. Und das Controlling ob der nun viel stärker fließenden Einnahmen auch.
Nicht tot zu kriegen: Früher hat MB kleine Jungs mit den tollen Hoteltowern in den Bann dieses eigentlich spielerisch ungenügenden Monopoly-Klons gezogen. Und nun will Asmodee das auch hinkriegen. Mit noch tolleren Hoteltowern, dem gepimpten Namen Hotel Tycoon, aber leider immer noch mit der alten Spielidee.
Wenn engelgleiche Messe-Hostessen die Schaumstoff-Teile von Jenga Tetris stapeln, dann fällt doch gar nicht mehr auf, dass eigentlich niemand diese Variante des Klassikers benötigt. Guter Plan. Echt guter Plan.
Da die Spielredaktion von Goliath erst kürzlich ein Wochenendseminar zum Thema Alliteration belegt hat, wird die Welt nun – trotz ablehnender Haltung der Sprach- und der Literaturwissenschaft – mit Karlo Karottenschreck und Glubschie Glibber bereichert.
Der Wunsch von Kaya Yanar: Er spielt sein Spiel Typisch Deutch?! Das Kaya-Spiel gegen Angela Merkel – und der Türke gewinnt. Ja, das wäre schon ein wenig herrlich, zugegeben.
Maximale Aufmerksamkeit: Wenn ein Verlag ein aus dem Privatfernsehen bekanntes Gesicht auf seiner Spieleschachtel präsentieren kann, dann stürzen sich die Journalisten darauf wie ein ausgehungerter Igel auf die Katzenfutterreste.
Wenn es Keyflower an etwas gemangelt hat, damit es ein wirklich richtig gutes Spiel ist, dann waren es rosa Schweine. Nun dürfte es endlich perfekt sein, dank der Erweiterung The Farmers.
Klemens Franz, Chefgrafiker bei Lookout-Spiele, erläutert seine Arbeit. Zum Beispiel, warum das eine Karnickel eine Fliegerjacke mit Nerzkragen trägt.
Pantomime, vorsingen oder Pixelstücke legen war gestern. Jetzt werden in Knetivity, wie der Name subtil andeutet, endlich Begriffe geknetet. Die Aufgabe für den Titel lautete: Familie, in der der psychisch angeschlagene Vater gleich durchdreht und etwas ganz Schreckliches tut. Sehr gelungen.
Ist das jetzt irgendwie diskriminierend, dass die Indianer in Lewis & Clark rot sind? Nein, das ist sicherlich nur ein harmloser Zufall und kein latenter Alltagsrassismus.
Endlich auf Deutsch: Love Letter. Und endlich auch mit echt hübscher Prinzessin.
Wer sich schon immer gefragt hat, was aus den alten Mützen von Ivan Lendl geworden ist, bekam bei der Neuheitenschau endlich eine Antwort. Vorteile bringt die Kopfbedeckung aber nur, wenn man beim Spielen von Nauticus von der Sonne geblendet wird.
Irgendwie alle unheimlich schlecht drauf: Die nur auf den ersten Blick possierlichen Raubtiere in Om Nom Nom.
Gute Presse sichert sich, wer für zufriedene Journalisten sorgt. Die meisten lassen sich schon von lecker Schnittchen beeinflussen. Trauriges Zeichen für den Niedergang eines Berufsstandes.
Schwieriger wird es da schon, wenn man die Sympathien mit einer überwürzten Pilzcrèmesuppe gewinnen möchte.
Würfel sind ja so 1982. In den Becher kommen ab sofort nur noch Fässer wie bei Polterfass.
Wer es schafft, seine Kundschaft am schicksten einzukleiden, gewinnt Rokoko. Viele Punkte gibt es bestimmt vor allem für Rokokokokotten. Ein Wort, mit dem man auch bei Scrabble ganz weit vorne liegen würde.
Sonderpunkte gibt es übrigens keine, wenn man sich epochentreu kleidet. Aber schnuffte aussehen tut man natürlich schon, wenn man auf das richtige Chichi ein wenig Wert legt wie Rokoko-Autor Matthias Cramer.
Ist Stick Storm überhaupt ein Spiel? Wahrscheinlich nicht. Obwohl es bestimmt voll Spaß macht, wenn die Stäbchen lustig explodieren. Allerdings: Das Zusammenfrickeln und das Aufräumen sind dann unter Garantie deutlich weniger lustig.
Herzlichen Glückwunsch noch mal zum Gewinn des Deutschen Spielepreises, liebes Terra–Mystica-Team. Warum die beiden Verleger (Bildmitte) aber derart freakig und unkonventionell angezogen sind, weiß kein Mensch.
In der Sammlung der Animeeples haben Dinosaurier echt noch gefehlt. Dank Triassic Terror wird diese Lücke nun aber geschlossen.
Abgesehen von einer echt wunderschönen Farbe für den fünften Spieler bietet die Tzolk’in-Erweiterung vor allem Stammesfähigkeiten, die mehr Abwechslung in das Zahnradgetriebe bringen sollen.
Das teuerste Spiel der Messe, zumindest laut Veranstalter-Angaben. 479 Euro werden für Whacky Wit fällig. Im Gegenzug gibt es nicht nur unheimlich tolle Pac-Man-Figuren, sondern auch acht Kilogramm Spiel.
Bei der Verleihung des Deutschen Spielepreises scheint Stefan Feld (Dritter von links), Autor von Bronzemedaillengewinner Brügge, seinem Verleger Bernd Brunnhofer scheinbar höchst unerwarteten Gossip – von wegen wer mit wem und so – zu liefern.
Es ist eine perspektivische Verzerrung, die dafür sorgt, dass Stefan Feld überlebensgroß erscheint (oder die kleine Senke, in der Dominique Metzler stehen muss). Aber das ist durchaus eine schöne Metapher für sein derzeitiges Schaffen, zum Beispiel mit dem sehr empfehlenswerten Amerigo.
Die vier haben die Herzen der Spielerszene höher, schneller und unregelmäßiger schlagen lassen (von links): Tzolk’in, Terra Mystica, Brügge und Kakerlakak.
Während das Autoren-Team von Tzolk’in von Spiel-Chefin Dominique Metzler abgelenkt wird, scheinen die beiden jungen Damen mit dem Spiel heimlich fliehen zu wollen. Die Kameraüberwachung haben sie nicht bedacht.
Gruppenbild mit Dame: Für die Plätze vier bis zehn beim Deutschen Spielepreis gab es nicht nur eine Urkunde, sondern eben auch ein exklusives Fotoshooting. Die Bilder sind für alle Teilnehmer natürlich eine Zierde in ihrer Set-Karte.
Die Shrimps an Blattsalat machten dann auch wieder die Suppe vom Vormittag vergessen. Fotos: Simone Becker
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Oktober 25th, 2013 on 13:59
Hotel wird neu aufgelegt? Wie konnte das an mir vorbeigehen?
Abgesehen von der roten Farbe, aber:
Darf man überhaupt noch „Indianer“ sagen?
Gibt’s schon Geheimtipps, was man sich unbedingt ansehen sollte?