Spiel
Oldenburg, im Oktober. Wenn man heutzutage über die Willkür des Personenkults sich ergeht, bleibt man immer wieder bei den oft bemühten Jahren 1937/38 hängen. Der Personenkult, ihn wird es wohl immer geben. Auch auf den Darauf-bin-ich-neugierig- und Meine-Top-Neuheiten-Listen in den Internetforen. Das neue von Martin Wallace? Lechz! Ein neuer Stefan Feld bei H@all Games? Haben wollen! Ein Original Uwe Rosenberg? Her damit! Das ist der Tunnelblick des Geeks, der am Ende kein Licht mehr sieht. Erfrischend anders ist der Blick auf die Materie, wie er der Nicht-Fachpresse angedient wird. In der offiziellen Pressemitteilung der Internationalen Spieltage in Essen.

Dabei gilt es natürlich, die Journalisten zu triggern. Es gibt einfach ein paar Schalter, die, werden sie erst mal gedrückt, sofort ein Reaktionsmuster auslösen. Ob das nachhaltig ist? Natürlich nicht. Aber es funktioniert.

Euro Crisis

Schalter 1: Aktualität. Gib den Frauen und Männern mit der Kamera auf der Schulter zum Beispiel die Finanzkrise. Schon werden sie filmen. Und so wird folgerichtig über das über Startnext massenfinanzierte €uro Crisis des Newcomer-Verlags Doppeldenk-Spiele berichtet werden, in den Mittagsmagazinen und den Regionalfenstern der Spät-Nachmittags-Informationssendungen. Und weil der Claim zum Spiel auf Seite eins der Regel „Europa, Krise, Staatsbankrott. Aber keine Sorge: Hier sind Sie der Chef einer Bank …“ lautet und also ironisch klingt, kann das Ganze in der Pressemitteilung als „satirisches Brettspiel“ verkauft werden. Noch so ein Ding, bei dem es Klick macht: Satire. Soll ja keine ernste Sache sein, das Spielen. Yeah, so cool einfach geht Journalismus.

Mmm

Schalter 2: der Promi. In diesem Fall hat Pegasus André Gatzke, der auf dem KiKA moderiert, engagiert. Er stellt Mmm! von Doc Knizia vor. An sich ist es doch schon spannend, dass Pegasus jetzt in Kinderspielen macht. Und auch, dass einige der alten Erfolgstitel von Selecta so zu neuem Leben erweckt werden. Oder das Mmm! den leicht zur alpenrepublikanischen Skurrilität neigenden österreichischen Preis Spiel der Spiele gewonnen hat. Alles egal. Hauptsache der Promi spielt schön für die Kamera. Funktioniert immer.

Aladin

Schalter 3: ungewöhnliche Bilder. Spiele, die mehr können, als Karten ablegen und Holzklötzchen auf einem Pappbrett verschieben, sind gefragt. Sie liefern gute Bilder. Deswegen wird von Goliath – die der Welt also nicht nur den grandiosen Kackel Dackel schenkten – Aladin’s fliegender Teppich (wobei es eigentlich Aladins heißen müsste, aber das ist jetzt müßig) vorgestellt. Es sieht so aus, als wenn der Teppich wirklich fliegt. Achtung, Spoiler: Er fliegt gar nicht in echt. Aber für die Kamera liefert er: tolle Bilder. In diesem Fahrwasser könnten auch Maze Racers viel Aufmerksamkeit bekommen. Schließlich geht es darum, ein „möglichst verzwicktes Labyrinth“ zu bauen. Uh! Ah!

Captain Black

Schalter 4: Elektronik. Sicher, Brettspiele sind beliebt, die Besinnung auf analoge Unterhaltung wirkt zeitgemäß, wo doch alle Biomöhren nagen und den Toaster im Repair-Café wieder herrichten lassen. Aber ein bisschen unsicher ist die Volontärin des Regionalspartenmediums dann doch, ob sie dem Redakteur nur dieses Analog-Altmodische vorlegen soll. Da ist Elektronik im Brettspiel die Rettung. Denn auf einmal wirken die Spiele so, als seien sie total modern. Dass bislang alle Versuche der Elektronisierung des Brettspiels mehr oder minder scheiterten? Egal. Ravensburger bekommt für Captain Black, wieder ein Doc Knizia, mit dreidimensionalem Schiffsspielplan und dem elektronischen, die Spieler steuernden Captain sicher viel Aufmerksamkeit. Auch Huch & friends dürfte mit dem Quizspiel Echt jetzt?! mit elektronischem Buzzer-Moderator-Kommentator-Siegpunktzähler-Seestern Aufmerksamkeit erheischen.

Scrabble

Schalter 5: Klassiker, die jeder kennt. Wirklich jeder. Scrabble ist so ein Klassiker. Und wenn der um ein lustiges Gimmick wie das Schnipsen erweitert wird, ja dann steht der Berichterstattung über Scrabble Flip nichts mehr im Wege. Schließlich muss der Reporter daran denken, dass auch Oma Blümchen in Oer-Erkenschick alles versteht. Und Scrabble kennt sie, also kann sie dem Beitrag folgen. Das ist vorbildlich.

504

Schalter 6: Superlative. Das schwerste Spiel ever, ever, ever, zum Beispiel. Zehn Kilogramm wiegt Mega Civilization. Damit lässt sich arbeiten. Und Friedemann Friese legt mit 504 die wohl größte Spielesammlung ever, ever, ever vor, vor allem eine, die viel mehr als Mühle, Dame, Domino kann. Abgesehen davon sorgt der Autor selbst, zumindest frisch geföhnt und gefärbt, immer für gute Bilder. Typen mit grünen Haaren bei so einem Freakthema wie Spiele, da wissen sie in den bildsendenden Anstalten, das geht. Nicht ganz so gut wie die Cosplayer bei der Manga-Messe, aber hey, geschenkt.

Einerseits.

Andererseits. Gäbe es sie alle nicht, gäbe es unter Garantie viel weniger Bilder über die Spiel. Und damit über eines der packendsten Hobbys überhaupt. Und das wäre – bei aller Ratlosigkeit über die immer wieder gleiche Reflexhaftigkeit der Motivsuche – irgendwie traurig. Von daher auch ein Dank an euch Eyecatcher, die wir, die Geeks, vielleicht nie spielen werden und denen wir so für eure Verdienste nie danken.