Pingo Pingo 3

Essen, im Oktober. Wir vergessen alles. Vieles wird, wie jedes Jahr – Resultat des pervertierten Ausstoßes – vergessen werden. Aber am Samstagabend, bei Pizza und Bierchen, lautete unser Resümee schon einmal: Es lief für uns deutlich besser als im Vorjahr, es waren viele schöne und gute – wenn auch nicht uns tirilieren lassende – Spiele dabei. Gefühlt scheint 2015 ein deutlich besserer Jahrgang als 2014 zu werden. Wobei ich ganz persönlich diese Vielspieler-Schönheit, die, die meine Knie zittern und mein Herz rasen lässt, noch nicht gefunden habe. So richtig große Liebe, das hatte ich zuletzt vor zwei Jahren mit Russian Railroads. Aber solche Gefühle sollen im Alter, zumal im fortgeschrittenen Alter, eh abnehmen. Von daher liegt es vielleicht auch einfach nur an mir. Brauche ich ein Spiele-Viagra?

So schön - aber leider sind die inneren Werte (auch für ein Kinderspiel) uninspiriert.

So schön – aber leider sind die inneren Werte (auch für ein Kinderspiel) uninspiriert.

Wobei ich mich – zugegeben – von der Optik immer wieder verführen lasse und dann letztlich nicht die inneren Werte finde, die ich suche. Russian Railroads ist übrigens auch für dieses schiefe Bild ein gutes Beispiel: Die Schönste ist sie nicht, sicherlich auch nicht hässlich, aber eben keine, der man auf der Straße hinterher pfeift. Aber der, der einen Abend mit ihr verbracht hat, liegt ihr zu Füßen. Und danach sieht man sie auch mit ganz anderen Augen und findet sie noch deutlich hübscher als zuvor. Wohl dem, dem solches widerfährt.

Meistens läuft es aber, wie gesagt, anders herum. So mögen Die Drachenzähne von schier betörender Schönheit sein, doch dieses kleine Zocker- und Bluffspielchen ist dann doch eher lahm. Nun gut, es soll ja auch ein Kinderspiel sein. Weshalb die Geschichte niedlich ist: Wir schicken unsere Zahnputzzwerge zum Drachen, auf das die Beißerchen zahnsteinbefreit erstrahlen mögen. Die Zwerge benötigen für ihre Verrichtungen unterschiedlich viel Zeit, wobei die schnellen zuerst dran dürfen. Was nur keiner außer dem aktiven Spieler weiß, bevor er an die Personaldisposition geht: Wie lange wird der Drache sein Maul offen halten? Ist die Zeit abgelaufen, schließt sich der Kiefer – und das Dentalhygienefachpersonal dient als Pausensnack.

Ersteindruck: Schwer vorstellbar, dass damit Sechsjährige zu begeistern sind. Außer sie lassen sich auch vom Äußeren blenden.

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Pi mal Pflaumen hat in Dennis Lohausen offenbar die femininen Triebe geweckt.

Pi mal Pflaumen hat in Dennis Lohausen offenbar die femininen Triebe geweckt.

Das hat wirklich Dennis Lohausen gemalt? Gut, an den beiden Kötern kann man ihn erkennen. Aber an den Obstsorten? Niemals. So feminin war Lohausen noch nie. Das Schöne bei Pi mal Pflaumen: Selten hat er so begeistern können, obwohl er ja schon in den vergangenen Jahren wirklich einige Höhepunkte abgeliefert hat, was im Falle von Glück auf! ja sogar mit dem Graf Ludo belohnt wurde. Nun also zeichnet er, als gelte es, ein Pomologie-Buch für den britischen Hobbygärtner der späten Viktorianik herauszugeben. So grandios schön, das muss an dieser Stelle erst einmal gelobt werden.

Aber natürlich lässt auch der Autor aufhorchen: Matthis Cramer. Gut, sein Kraftwagen war nun nicht der ganz so große Wurf, was Stefan Duksch sehr präzise in der Spielbox Nummer vier dieses Jahres analysiert hat. Aber darf nicht auch ein Franck Ribéry mal nur ein mittelmäßiges Spiel machen? Ebent. Pi mal Pflaumen – schon dieser so subtil auf Gag getrimmte Titel überzeugt mit seiner Feinsinnigkeit – wildert natürlich nicht in Cramers eigentlichen Jagdgründen, den Savannen der Spezialisten. Pi mal Pflaumen können alle, wirklich alle. Fünf Handkarten in jedem der drei Durchgänge gilt es auszuspielen. Als erstes wird über den Zahlenwert die Zugreihenfolge festgelegt, in der dann die just zuvor ausgespielten Karten wieder auf die Hand genommen werden. Zudem wird ab und an eine Sonderaktion wie Mundraub oder drei Pi-Karten nehmen (die den Wert einer ausgespielten Karte um 3,14 erhöhen) ausgeführt. Aufgabe ist es eigentlich nur, verschiedene Obstkombinationen zu sammeln und für die entsprechenden Aufträge Punkte zu kassieren.

Ersteindruck: Sehr simpel. Aber es hat uns sehr angesprochen. Das Spiel selbst: gefällig. Vielleicht lag es am Ende auch zu einem guten Teil an Lohausens Obststillleben mit Anbiss: Die sind nämlich sooooo köstlich.

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Das Konzil der Vier hätte ein par Arbeitsstunden deutscher Spieleingenieurskunst ruhig noch vertragen können.

Das Konzil der Vier hätte ein par Arbeitsstunden deutscher Spieleingenieurskunst ruhig noch vertragen können.

Neben all der optischen Opulenz zeitgenössischer Brett- und Kartenspielwaren, da fällt eine nicht ganz so ausgeprägte Spitzenleistung natürlich besonders ins Auge. Über die schier unfassbare Unansehnlichkeit von Inhabit the Earth gab es im Donnerstag-Post schon etwas zu lesen. Aber auch Das Konzil der Vier ist jetzt nicht der absolute Hingucker. Dabei lohnt sich das Kennenlernen durchaus.

Hinter dem Konzil der Vier (und nicht des Vierten, liebe Fairplay-Kollegen) stecken mit Simone Luciani und Daniele Tascini ja keine Geringeren als die AufdenSpurenvonMarcoPolo-Macher. Die Mechanismen, um sich lukrative Bauplätze in den Städten zu sichern, sind schlank und simpel. Und wie auch bei Lookouts Grand Austria Hotel, an dem zumindest Luciani mitgeschraubt hat, geht es darum, nicht nur die eine obligatorische Grundaktion auszuführen, sondern seinen Zug so zu gestalten, dass es eine „Kaskade von weiteren Aktionen“ gibt (wie Hanno Girke italienisches Spieledesign anno 2015 im Gespräch mit den Pöppelhelden beschrieb). Das hat Spaß gemacht – wenn auch mit kleinen Einschränkungen. Und die kommen jetzt.

Ersteindruck: Wieder ein gutes Spiel der italienischen Schule. Nur merkt man ihm etwas an, dass die gute alte deutsche Spieleingenieurskunst fehlt. Nach hinten heraus kommt einem eine Partie zu lang vor, auch weil die Züge in der Regel immer recht gleichförmig sind. Ein guter Redakteur, die diese kleinen Mängel abstellt, hätte dem Spiel ganz gut getan.

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Gewogen und für zu leicht befunden - Skyliners, das definitive Nicht-Vielspieler-Spiel von Hans im Glück.

Gewogen und für zu leicht befunden – Skyliners, das definitive Nicht-Vielspieler-Spiel von Hans im Glück.

Beim Deutschen Spielepreis haben sich die beiden Brunnhofers, die Impresarios des Hans-im-Glück-Verlags, quasi entschuldigt, dass sie nach Auf den Spuren von Marco Polo nichts Vergleichbares nachlegen. Stattdessen gibt es nur das leichtgewichtige Skyliners, das kaum einen Freak anlocken wird. Aber, das zeigt der Hans-im-Glück-Stand deutlich, erst mal soll der große Wurf mit Auf den Spuren von Marco Polo ausgekostet werden. Da wirkt es fast so, als wenn man in der Münchener Verlagszentrale grübelte, welche Neuheit es 2015 geben sollte und dabei zu dem Schluss kam, Hauptache irgendwas. Ach ja, wir haben doch da noch diese Hochbau-Kiste auf dem Dachboden. Moritz, hol mal runter und wir schauen nach, ob wir das Hochhaus-Ding nehmen können. Ja, Papa.

Ersteindruck: Das Hochhäuserbauen in Skyliners geht geschmeidig von der Hand, fühlt sich aber – trotz wachsender 3D-Kulisse – irgendwie fad an. Gewogen und für zu leicht empfunden. Dann lieber ruhig noch eine Partie Auf den Spuren von Marco Polo – vor allem mit den neuen Charakteren.

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Gähn. Schon wieder ein Stichspiel. Zudem kein besonders pfiffiges.

Gähn. Schon wieder ein Stichspiel. Zudem kein besonders pfiffiges.

André probiert es ja immer wieder, mich anzusticheln. Ich bin aber nun mal kein großer Freund von Stichspielen. Aber Sarkophag, sagt André, das habe allen großen Spaß bereitet. Also hin zu Amigo. Der Clou dieses Simpel-Stechens: Spieler Nummer zwei legt fest, ob die zuerst ausgespielte Karte unter- oder überboten werden muss, entsprechend verliert der, der am höchsten oder am niedrigsten bedient hat. Mit den gewonnen Stichen sammelt man Mumienköpfe wie Hornochsen. Und wer am Ende die meisten Wickelwirsinge einsammeln musste, verliert.

Ersteindruck: Nun ja. Ob nun ausgerechnet Sarkophag im unverwüstlichen Genre des Stichspiels einen Stich macht? Nein, eher nicht.

Da ich leider nicht immer und überall gleichzeitig sein kann, zeige ich euch noch Eindrücke von den anderen Stationen der Pöppelhelden:

Einer im Team ist der Zeuge, der eine Tat beobachtet hat. Ausgequetscht wird er von uns Ermittlern mit Fragen wie: "Mag der Täter moderne Kunst". Cluedo als Für-Sie-Psychotest-Variante.

Einer im Team ist der Zeuge, der eine Tat beobachtet hat. Ausgequetscht wird er von uns Ermittlern mit Fragen wie: „Mag der Täter moderne Kunst?“ Die unüblichen Verdächtigen ist Cluedo in der Für-Sie-Psychotest-Variante.

Blöd. So das Urteil von André, Maren und Simon. Grandios finden Doris, Yanina und Thalke. Also ausprobieren und selbst ein Urteil bilden.

Blöd. So das Urteil von André, Maren und Simon über Flip A Bird. Grandios finden Doris, Yanina und Thalke. Also ausprobieren und selbst ein Urteil bilden.

Mysterium ist kein Cluedo-Clown wie Die unüblichen Verdächtigen, sondern ein grandioses Werk im Fach der Deduktionsspiele. Mit sehr stimmungsvollen Grafiken und dem gespenstischen Plot hat es die Pöppelhelden sehr überzeugt. Ein Anspiel-, wenn nicht gar Weit-aus-dem-Fenster-lehn-Kauftipp.

Mysterium ist kein Cluedo-Clown wie Die unüblichen Verdächtigen, sondern ein grandioses Werk im Fach der Deduktionsspiele. Mit sehr stimmungsvollen Grafiken und dem gespenstischen Plot hat es die Pöppelhelden sehr überzeugt. Ein Anspiel-, wenn nicht gar ein Weit-aus-dem-Fenster-lehn-Kauftipp.

Mit viel Action und körprlichem Einsatz geht es bei Pingo Pingo um die Goldene Ananas. Kinderspiel-des-Jahres-Gewinner Roberto Fraga zeigt einmal mehr, dass er ein Kindskopf ist, einer von den besten.

Mit viel Action und körperlichem Einsatz geht es bei Pingo Pingo um die Goldene Ananas. Kinderspiel-des-Jahres-Gewinner Roberto Fraga zeigt einmal mehr, dass er ein Kindskopf ist, einer von den besten.

Diesen Elan, dieses Drive, diese Schnelligkeit lässt André bei klassischen Eurogames sonst grn mal vermissen. Aber bei Pingo Pingo zahlte sich das Spinning-Training aus.

Diesen Elan, diesen Drive, diese Schnelligkeit lässt André bei klassischen Eurogames sonst gern mal vermissen. Aber bei Pingo Pingo zahlte sich das Spinning-Training aus.

Nicht nur Pi mal Pflaumen hat Dennis Lohausen superb illustriert, auch Die Portale von Molthar sind grandios geworden. Simon und André meinten nach einer Partie, dass dieses Spiel genug Abwechslung biete, um es häufig zu spielen. Deswegen haben sie gleich mal Exemplare gekauft.

Nicht nur Pi mal Pflaumen hat Dennis Lohausen superb illustriert, auch Die Portale von Molthar sind grandios geworden. Simon und André meinten nach einer Partie, dass dieses Spiel genug Abwechslung biete, um es häufig zu spielen. Deswegen haben sie gleich mal Exemplare gekauft.

Tja, ob es langanhaltenden Spaß verspricht, tolle Würfelergebnisse aus Würfeln mit römischen Ziffern zu bilden? André bezweifelt das. Schließlich gibt es so nur drei unterschiedliche Seiten auf den Sechsseitern von Römisch Pokern - das schränkt die Auswahl wahrscheinlich arg ein und tötet den Spaß ab.

Tja, ob es langanhaltenden Spaß verspricht, tolle Würfelergebnisse aus Würfeln mit römischen Ziffern zu bilden? André bezweifelt das. Schließlich gibt es so nur drei unterschiedliche Seiten auf den Sechsseitern von Römisch Pokern – das schränkt die Auswahl wahrscheinlich arg ein und tötet den Spaß ab.