Essen. In diesem Jahr muss das Feuilleton leiden. Aber es geht nicht anders. Dieses Mal wird es nicht mehr zu jedem Spiel einen Text geben, die profunde ersteindruckbasierte Kritik fällt weg. Weil es sonst nur so klingt, als würden wir alte Nörgelweiber sein, die ihren kargen Lebensunterhalt damit verdienen, dass sie auf dem Markt Blumenkohl verkaufen. Wobei die Nörgelei natürlich unserem System geschuldet war. Wer Gourmet ist und sich jeden Tag in eine Blindverkostung stürzt, nun, der spuckt viel aus. Und wenn die Zunge erst mal so einen grünlichen Belag gebildet hat, mundet auch ein Schmankerl vielleicht nicht so gut, wie es sollte. Zugegeben, an der Systematik wurde nichts geändert, aber im Sinne einer gleich geschalteten Presselandschaft wird jetzt nur noch das Positive hervorgehoben. Der Rest findet in Bildern statt. Reicht doch auch.
Der Messe-Mittwoch lässt sich leicht zusammenfassen, er lebt noch nicht von den profunden Partien, sondern allein vom Betrachten und Essen. Das Büfett beim Deutschen Spielepreis war wieder einmal superb. Wirklich. Aber das wäre auf dieser Seite wirklich zu oberflächlich, um gewürdigt zu werden.
Unbeachtet und unbeirrt: der Shanty-Chor Herten.
Platz 3: Der Shanty Chor Herten sang am Mattel-Stand zum Spiel „Sail away“. Unbeirrt, Nummer für Nummer, obwohl weitgehend unbeachtet. Beeindruckender Seebär-Stoizismus.
Und wenn der alte Mann mit der Zippelmütze schwach wird, auch egal, dann betet er eben drei Rosenkränze und schlägt sich mit Bikenzweigen auf den Rücken. Hach, so schön ist Katholizismus.
Platz 2: Wie unverfroren Zoch das Lutherjahr als Marketingmaschine für „Mea Culpa“ nutzt – nur um für die Vorzüge des Katholizismus zu werben. Ein Pope, der offensichtlich wunderschönen Messemitarbeiterinnen in knappen Kleidern und allen bacchantischen Verlockungen nicht widerstehen kann? Luther würde sich im Grabe umdrehen, wenn er denn noch könnte. Und Margot Käßmann ist empört.
Ein großer Mann des deutschen Spielejournalismus: Knut Michael Wolf (mit Laudatorin und Spielemesse-Gastgeberin Dominique Metzler).
Platz 1: Für sein Lebenswerk wurde der Spielejournalist Knut-Michael Wolf geehrt, den meisten wahrscheinlich nur als KMW bekannt. Er war einer, der das Spielen in Deutschland schon publizistisch begleitete, als es eigentlich noch nicht einmal eine Spiele-Szene gab. Knut war Herausgeber der Pöppel-Revue und Erfinder des Spieler-Preises Goldener Pöppel, der heute unter der Marke Deutscher Spielepreis firmiert. Und er ging als Erster in Deutschland online, um über Spiele zu schreiben, betreute bis vor zwei Jahren die aus seiner Seite hervorgegangene Seite spielbox.de. Ein verdienter Preisträger.
Und für den Rest des Tages gilt: Bilder sagen so viel mehr als Worte:
7 Wonders Duel Pantheon: Das mit Duell ist natürlich alles nur Fake, in Wirklichkeit finden sich der Römer mit der Gestrüpp-Mütze und die kecke Kleopatra-Komparsin ganz dufte.
Der Nagy weiß, wie man mich fängt: Einfach ein paar Lebkuchen vor das Endprodukt drapiert, schon werde ich schwach.
Wortwitz mit Spritz: Zur Agricola-Neuauflage als Kenner- und als Familienspiel wird demnächst, zwinker, zwinker, Agri-Cola gereicht. Und für Menschen mit einem Magister in Silly Walks gibt zum Kennerspiel des Jahres Isle of Skye die Zitronenlimonade Isle of Spryte.
Captains of the Golden Age: Spiel und Autoren sind ja schon mal schnuckelig. Ob bei dem Kickstarter-Projekt auch der Spiel- mit dem Obtikreiz mithalten kann?
Bedeutet Costa Rica den Untergang des Abendlandes? Lookout übernimmt erstmals einen Titel seiner Mutter Mayfair. Nein, sagt Stefan Ducksch in der Spielbox. Also: ausprobieren.
Der Hype um ein neues Spiel von Stefan Feld ist etwas vorbei. Mal sehen, ob Das Orakel von Delphi die Feldmania wider entfachen kann.
Hallo Jungs, Fassbrause zum Kneipenquiz? Sacht ma, geht’s noch? Probespieler sollten also mit einer kleinen Notfallbatterie Stauder zum Moses-Stand gehen, wenn angetestet werden soll.
3,5 Kilogramm Material und 56 Seiten Regel. Die Kolonisten unseres alten Oldenburger Fahrensmannes Tim Puls ist definitv kein Ab-, sondern ein Versacker für viele lange Winterabende.
This is the End: Mit Teil III, Die letzte Hoffnung, endet für Michael Menzel das Leben als Autor, in Zukunft will er wieder nur illustrieren. Und so sollte es auch bleiben, denn wie sagt das alte amerikanische Sprichwort: The fourth part ruined the franchise.
Gibt Roberto Fraga nach Spinderella jetzt etwa Spinnerrella? Aber trotz des weißen Wischmobs auf der Rübe scheint hinter Dr. Eureka ein unterhaltsames Spielchen zu stecken.
Echsenartige mit dem Hang zum Eigenheim-Rückbau sind ein fest in der japanischen Kultur verankerter Topos. Haba versucht mit Drachenturm dies Motiv nun auch den europäischen Kindern schmackhaft zu machen.
Escape the Room heißt es bei Noris mit chicem Chrono-Decoder. Die Tür steht sogar offen, aber sein Halsschmuck hat sich verfangen. Dumm gelaufen.
Auch bei Kosmos wollen sie raus, aus einer Hütte, einem Labor und einer Grabkammer. Markus und Inka Brand haben zusammen mit Redakteur Ralph Querfurth allerdings eine Vielzahl ziemlich kniffeliger Rätsel vor die Tür gestellt.
Nach der Kunstinstallation 504 macht Friedemann Friese dieses Jahr wieder in Spielen. Fabelsaft ist der Legacy-Mechanismus light, das Spiel merkt sich, an welcher Stelle die letzte Partie endete.
Er habe einfach mal ausprobiert, was passiert, wenn er das Brett bei Funkenschlag weglässt, sagt Friedemann Friese. Und siehe: Es ward gut. Einige Tester fanden Funkenschlag – Das Kartenspiel sogar besser als den großen Bruder.
Eine so erfolgreiche austro-hanseatische Zusammenarbeit gab es zuletzt, als Ernst Happel Trainer beim HSV war. Aber Alexander Pfister und Eggerstpiele legen nach dem Deutsche Spielepreis-prämierten Mombasa nun mit Great Western Trail nach. Gott sei Dank ist die Erwartungshaltung an dieses Werk nicht so hoch.
Sieht zumindest supercool aus. Ob Icecool dieses Versprechen auch hält? Oder wird es nur ein unterkühltes Rendezvous?
So langsam wird es wirklich eine Liga, mit The Flash und Green Lantern erhalten Superman und Batman aus Staffel 1 nun Verstärkung im Kampf gegen das Böse in der Justice League Hero Dice vom Bremer Andreas Schmidt.
Die niedlichen Miniaturen deuten es an: ein Mädchenspiel. Auf dem Ponyhof wird demnächst also Krosmaster Arena 2.0 gespielt.
Die Kullerhexe soll den Spielenachwuchs mit heranzüchten. Die Lernspielfortsetzung für die noch Kleineren, die bald aufs Töpfchen gehen sollen, ist mit der Pullerhexe schon in der Pipeline.
Den wahrscheinlich am wenigsten beachteten Spielepreis ever – die Essener Feder – erhielt in diesem Jahr Leo muss zum Frisör. Das Spannendste daran war die Laudatio von Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen, der der rhetorischen Betonungspause eine ganz neue Bedeutungsebene hinzufügte.
Make ’n‘ Break Architect macht den Zollstock zum Spielgerät. Ravensburger startet damit die Reihe Obi et ludi.
Vielleicht könnten Mob Town und die nicht zu sehende Schwesterproduktion Farmageddon die Messe-Überraschung werden. Der Plüschfaktor liegt jedenfalls schon weit über dem Durchschnitt.
Und noch eine Lizenz, um Eltern zu melken: Robbi, Tobbi und das Fliewatüüt kennt wahrscheinlich heute kein Kind mehr. Zudem könnte die Erwartungshaltung enttäuscht werden, wenn das Spielmaterial in der Schachtel von dem an dieser Stelle gezeigten Serviervorschlag im Hintergrund zu arg abweicht.
Rotkäppchen – nach dem Märchen, dem Sekt nun die Deluxe-Edition mit Problemwolf.
Endlich mal ein realistisches Szenario: In Scythe geht es um einen Krieg im ländlichen Osteuropa in den 1920er Jahren – mit ausrangiertem Gerät der imperialen Sturmtruppen. Oder so.
Und selbst wenn Spaghetti als Spiel nichts taugen sollte, kann aus dem Spielmaterial wenigstens noch eine warme Wintermütze gestrickt werden. Das versuchen Sie mal, wenn Ihnen Ihr Monopoly nicht mehr gefällt.
Drehbare Türme als zentrales Spielelement. Das ist innovativ und neu. Beim Prototypen-Spielen bin ich aber nicht auf Touren gekommen.
„Hihi“, lacht das Mädchen. „Du bist in Hundepups getreten, Du doofes Gespenst.“ Aber ob sich der Trend zu naturalistischen Spielmaterialien wirklich durchsetzen wird? Dann doch lieber was App-basiertes. Alle Fotos: Simone Becker
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