Essen. Es gibt ja diese Tage, die so lala anfangen, weil das Handy auf einmal seinen Dienst für immer quittiert hat, nachdem der Mobilfunkanbieter den Netzwechsel am Donnerstagabend vollzogen hat und die neue SIM-Karte friedlich auf dem heimischen Schreibtisch wartet, endlich eingesetzt zu werden. Es ist gar nicht so einfach, die Herde in der Messe wiederzufinden, wenn es das mobile Endgerät nicht mehr tut und jedes Mal das Pressezentrum im äußersten Winkel des Areals aufgesucht werden muss, um WLAN zu haben. Ja vielen Dank für das Mitleid an dieser Stelle. Das tut gut. Ansonsten war es vor allem ein eher anderen Aufgaben als dem Spielen geschuldeter Tag.
Aber auch nach so einem Tiefschlag, der einem die eigene Abhängigkeit vom Smartphone brutal vor Augen führt, kann alles gut werden. Einladung zum Spieleabend des Vereins Spiel des Jahres in die Essener Philharmonie. Der Vereinsvorsitzende Tom Felber bewies seine Gastgeberqualitäten, in dem er wirklich sehr kurz begrüßend schwyzerdütschte und noch kurz bekanntgab, dass Stefanie Marckwardt und Christoph Schlewinski nunmehr nicht nur Beiräte der Kinderspieljury, sondern Vollmitglieder sind. Danach Essen (mit vor allem grandiosem Lachs und einem wundervollen Sauvignon Blanc), gute Gespräche und wirklich spaßige Spielerunden.
Und so ergeben sich die Top 3 für diesen Tag (wegen der nur wenigen vollbrachten Spiele fast von allein):
Platz 3: Glüx. Wer hätte das gedacht. Ein Abstraktes bei Queen Games von einem Autor, der zumindest uns nichts sagte: Jakob Andrusch. Das Ziel des Spiels: Wir wollen Räume erleuchten, die auf dem Spielplan verteilt sind. Ausgehend von unserem Startplättchen, dürfen wir Plättchen Numero zwo genauso viele Felder orthogonal ziehen, wie die Augenzahl des Plättchens anzeigt. Ab da gibt es zwei Startpunkte, aber immer gilt: Die Augenzahl gibt die Zugweite vor. Und auf ein schon liegendes Plättchen darf noch gehüpft werden, danach ist es tabu. Dagegen dürfen nie eigene oder gegnerische Plättchen übersprungen werden, sie wirken wir Grenzen. Die Verteilung der Werte auf den Vorder- und Rückseiten der Illuminationsplättchen entspricht dabei dem klassischen Schema des W6 – in der Summe ist es also immer eine 7. Auf welcher Seite wir es ablegen: unsere Entscheidung. Was sich anfangs so arg betulich auf den Weg macht, entpuppt sich bald als cleveres Legespiel. Dessen Thema sich niemanden erschließt. Was aber nichts macht. Das Spiel ist gut. Nur die Gestaltung des Spielplans spricht uns nicht an, so gesehen wäre es besser, wenn er im Dunkeln bliebe, was leider nicht funktioniert.
Platz 2: Tempel des Schreckens. Ein simpler Zock, schon wieder, an diesem Tag des simplen Zocks mit unter anderen Futschikato. Also wir Abenteurer wollen einen Tempel ausrauben – und die sich unerkannt unter uns gemogelten Tempelwächterinnen wollen das verhindern. Jeder darf über seine Kartenhand vorab einen kleinen Schwank erzählen, Abenteurer die Wahrheit, schließlich wollen sie in vier Runden alle Schätze finden, die Wächterinnen versuchen dagegen, dass die Plünderer leer ausgehen oder, noch besser, in den Feuerfallen vergehen. Schöner Bluff, der in der Runde mit Schmidt-Redakteur Thorsten Gimmler ein Riesenspaß. Am Samstag mit André, Doris, Hanno und Maren eher träge. Hängt also massiv von der Gruppe ab. Ich mag es.
Platz 1: Spiel doch! Muss jetzt ja mal sein, die Werbung in eigener Sache. Nummer 3 ist ein geiles Heft geworden. Trendy, weil wir uns mit dem Trend Escape- und Exit-Rooms beschäftigen – auch wenn wir die Spiele noch nicht zum Rezensieren hatten. Aber Karsten Grosser hat eine wunderbare Reportage über echte Ausbruch-Räume geschrieben. Passend zum dritten und letzten Teil der Andor-Saga hat Udo Bartsch die Geschichte des Spiels mit dieser wirklich unfassbaren Fan-Community verfasst. Und es gibt einen Schwerpunkt zu den Spielen des Jahres mit der schönen Geschichte, wie Udo, Simone und ich in Delmenhorst mit Bernhard Hoëcker Codenames gespielt haben. Und natürlich vieles mehr. Wie immer: extrem lesenswert, so guten Spielejournalismus macht sonst keiner in Deutschland.
Flop des Tages: Las Vegas – Das Kartenspiel. Warum tut Alea das? Diese Verkartenspielungen wirklich großartiger Titel, die in der kleinen Schachtel bislang alle nicht überzeugt haben? Nach Die Burgen von Burgund und Broom Service nun Las Vegas. Und ich muss sagen: Es lohnt nicht, die Schachtel zu öffnen. Denn alles, was dieses grandiose Würfelspiel so gut, spannend und außergewöhnlich macht, fehlt bei der Übersetzung auf die Karten. Das Kartenspiel ist unübersichtlich und fürchterlich fitzelig. Und dieser Thrill, wenn man in seinem letzten Wurf mit einer 5 das Blatt für sich noch zum Positiven wenden kann, dieses Mitfiebern, während der Würfel vielleicht noch Pirouetten dreht wie eine 15-jährige russische Eiskunstläuferin, dieses Jubeln, wenn es eine 5 wird, dieses Stöhnen, wenn es nicht reicht – all das können Karten nicht, vor allem wenn man gleich fünf von ihnen in seinen bis zu sechs Zügen pro Runde auf der Hand hält. Nein, Las Vegas bitte weiterhin ausschließlich mit Würfeln.
Der Rest vom Fest:
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