Löst wahrscheinlich Kinesophobie aus: Tzolkin. Also Vorsicht, am besten am Sonntag die Tzolkin-Tische meiden.

An dieser Stelle müssen wir dringend eine Warnung aussprechen, und zwar vor Tzolkin. Wir müssen allen, die dies noch vor dem Messesonntag lesen, um Vorsicht bitten. Diese Neuheit scheint zu Kinesophobie zu führen. Mediziner verstehen darunter die Angst vor Bewegung. Durch intensives Beobachten ist uns aufgefallen, dass Tzolkin-Spieler kaum dazu zu bewegen sind, den Tisch zu verlassen, wenn man selber einen Platz möchte. Vielleicht müssen wir aus Therapiegründen am Sonntag zum letzten Mittel greifen. Vielleicht müssen wir einfach mal das obere Drittel des Presseausweises aus der Brusttasche lugen lassen und auf die Heilkräfte eines kräftigen Räusperns vertrauen, wenn wir am Tisch stehen und die Angstpatienten betrachten. Trotzdem: Falls Sie dies noch rechtzeitig lesen, lassen Sie die Finger von diesem Spiel. In Ihrem eigenen Interesse.

Gott sei Dank wurden die Pöppelhelden von dieser Phobie-Plage verschont. Was Zeit für andere Fingerübungen ließ. Yedo zum Beispiel. Wie berichtet, versucht Eggert mit der Übernahme von Marketing-Konzepten eines bekannten Burger-Bräters in diesem Jahr Aufmerksamkeit zu heischen: der Asia-Woche. Yedo heißt angeblich nur so, weil Queen Games mit seinem Edo einfach schneller war und auf die Entwicklung bei Eggert keine Rücksicht genommen haben soll. Also einfach ein Y angeschraubt und alles war wieder supi. Außerdem kommt nun auch Ystari als Kooperationspartner in Betracht. Yedo ist das alte Tokio – so wie Neu Amsterdam heute das neue York ist und 43 das neue 37.

Ein Look wie eine große Oper: Yedo. Das neue Schwergewicht von Eggert, ein Arbeiter-Einsetz-Spiel von Format – aber eben das x-te Arbeiter-Einsetz-Spiel, werden andere entgegnen.

„Japan, im Jahre 1605: Hidetada Tokugawa tritt die Nachfolge seines Vaters an und wird Shogun. Er regiert das Land von Yedo aus, dem heutigen Tokyo. Als Oberhaupt eines einflussreichen Clans versuchst du, die Gunst des neuen Shoguns für dich zu gewinnen und mehr Ruhm als deine Rivalen zu ernten“, schreiben die Eggerts auf ihrer Heimseite. In der japanischen Hauptstadt werden unsere Diener durch die Viertel gehetzt, um Missionen zu erfüllen. Und weil man den Hidetada anscheinend am ehesten beeindruckt, wenn man auch mal fünfe gerade sein lässt, geht es um Spionage, Diebstahl oder Kriegführung, wir führen nichts anderes als eine Yedo-Yakuza. In Szene gesetzt wurde das von Franz Vohwinkel wie eine große Oper, grandios und stimmig. Der Rest ist ein sauber und vielschichtig verwobenes Diener-Einsatz-Spiel mit dem hübschen Dilemma, dass viel zu tun ist und man nie alles tun kann, was man möchte. Erster Eindruck: Für Worker-Placement-Liebhaber ein Opus Magnus, für alle anderen wahrscheinlich nur ein weiteres Worker-Placement …

Alle Wege führen nach Rom – stimmt aber gar nicht, einer führt nach Tokio. Antoine Bauza bringt unsere Wandergruppe auf den Weg nach Yedo, oder wie der Muttersprachler sagt: Tokaido.

Wo wir gerade schon mal in Tokio sind, gehen wir doch gleich mal hin. Klingt komisch, ist es eigentlich auch. Nach Tokio zu gehen, ist die Aufgabe in Tokaido, dem neuen Antoine Bauza. Allerdings haben wir es bei dem Marsch durch die Provinzen in die große Stadt nicht eilig. Im Gegenteil: Trippelschritte scheinen das Mittel der Wahl. Das Dilemma ist bereits aus Egizia bekannt: Wer eine Aktion ganz sicher machen möchte, muss eventuell einen kleinen Zwischenspurt einlegen und zum so wichtig erscheinenden Feld eilen – allerdings hat derjenige, der Tokio gerade am nächsten, auch immer Pause, denn es zieht, wer noch den längsten Weg bewältigen muss. Wer vorprescht, hat sich zwar das, was er unbedingt wollte, gesichert, lässt den anderen aber die Möglichkeit, genüsslich alle Boni im Hinterland abzugrasen. Wer will das schon? Tokaido hat an dieser Stelle scheinbar einen Haken: Der wahre Zwang, auch mal vorzupreschen, ergibt sich gar nicht, denn im Grunde ist jede Aktion für jeden Spieler positiv, alles bringt irgendwie Punkte – entsprechend eng lagen am Ende auch alle beisammen. Erster Eindruck: ein recht unspektakulärer Spaziergang.

Tschieptschieptschiep. Ja, das sagt eigentlich alles über Tweeet.

Nach dem Themenblock asiatische Großstädte kommen wir nun zum Block Avifauna. Corné van Moorsel ist der Mann hinter Cwali, und seit ein paar Jahren haben es ihm kleine, modellierte Spielfiguren angetan. Alle sooooo niedlich, ehrlich, total dolle süüüüüüüüüß. Die Rot- und die Blaukehlchen, die Würmer, die Marienkäfer, ja selbst die Erdbeeren: einfach schön. Dabei täuschen die possierlichen Tierchen und Feldfrüchte darüber hinweg, dass es sich bei Tweeet um ein knallhartes Rennspiel handelt, es geht ums nackte Überleben. Warnung für seichte Gemüter: Es können Piepmätze sterben. Van Moorsel greift sein altes Thema auf, dass Nahrung einen unterschiedlich hohen Energiewert hat – wer also weiter fliegt, muss mehr mampfen. Wem es dabei nicht gelingt, die hochkalorischen Insekten einzusammeln, sondern auf Obstdiät gesetzt wird, dem könnte ein baldiges tête-à-tête mit seinem Schöpfer blühen. Während das Vögelchen – den Leckerbissen schon vor Augen – mit der letzten Kraftreserve die Weintrauben erreichen möchte, wird ihm auf einmal in der Luft schwarz vor Augen und: plumps. Tot. Am Ende müssen alle Rotkehlchen in einem Nest sitzen, das Team Blaukehlchen natürlich ebenfalls. Dann werden die Nährwerte des nicht verbrauchten Futters aller Teammitglieder addiert – und wer das meiste übrig hat, gewinnt. Als Mannschaft, selbstredend. Wir erinner uns: Kooperatives liegt im Trend. Erster Eindruck: nun ja, es ist … genau: niedlich!

Alle lieben Huhni, auch die Pöppelhelden. Und weil der Jungjournalist total locker drauf ist, ließ er sich mit Simone, Andreas, André und Maren ablichten. Sogar Udo Bartsch durfte mit aufs Foto, das zeigt sicherlich am ehestens Huhnis wahre Größe. Foto: Stefan Feld

Höhepunkt des Tages war aber unser Treffen mit Huhni, dem neuen Stern am Spielejournalistenhimmel. Am Queen-Stand in Halle 5 stießen wir auf den gefiederten Zeitgenossen und sprachen ihn ganz schüchtern an. Aber Huhni ist trotz seines Erfolges ein Huhn wie du und ich geblieben, ganz normal, überhaupt nicht abgehoben (aber vielleicht kann er auch einfach nicht so gut fliegen). Huhni erzählte, dass er total glücklich ist, weil er nun auch seinen eigenen Journalistenausweis um den Hals baumeln hat, gut sichtbar natürlich, damit sein Räuspern an belegten Spieltischen noch respekteinflößender wirkt (steht aber auch alles auf Huhnis tollem Spiele-Blog). Huhnis alter Kumpel Udo Bartsch war übrigens auch dabei. Ein wenig machte der Denis Scheck der bundesrepublikanischen Spielekritik allerdings den Eindruck, dass es ihn doch wurmt, dass immer das niedliche Federvieh angequatscht wird und nicht er. Was beweist: alles Diven im Spielejournalismus …

In seinem Herzen ist Queen-Games-Redakteur Wolfgang Panning immer noch ein Rocker. Im November tritt er mit seiner alten Punk-Combo OH 87 unter anderem in Dörverden auf.

Bei der Gelegenheit haben wir uns auch noch ein bisschen mit Queen-Redakteur Wolfgang Panning ausgetauscht, der unser Interesse erstens auf die Samarkand-Erweiterung lenkte, die es zurzeit auf der Messe zu kaufen gibt. Seit Ewigkeiten schlummern die Familienbande in der Schublade, jetzt ist das rare Stück endlich veröffentlicht. Wolfgang ging es darum, das Familienelement in dem Spiel zu stärken, heraus komme ein völlig neues Spielgefühl, verspricht er. Zweitens machte er uns auf den 24. November aufmerksam. Dann wird seine alte Punkband OH 87 (was für Offensive Herbst steht) im Tagungshaus Drübberholz in Dörverden spielen. Nach ungefähr 30 Jahren tun sich die Altpunks mal wieder zusammen. Wolfgang hat bei Youtube ein paar der alten Songs hochgeladen. Klingt so, als wenn es an dem Abend laut und schnell und dosenbierig wird. (Apropos Bier: Im Snack-Point hat man offensichtlich auf Kaluskys Bierkritik an dieser Stelle reagiert, gestern gab es Bremer Bier. Leider nur Becks Gold – aber immerhin ein kleiner Schritt nach vorn.)

Ein Pferderennen mit Wetteinsatz ist als Spielidee nicht wirklich neu. Ungewöhnlich ist dagegen, dass die Spieler als Buchmacher Quoten festlegen müssen und auch Wetten ablehnen können.

Der dritte Themenblock des Tages drehte sich um die Gattungsfamilie der Equidae. Pferde, Federvieh und Fernost – ein dramaturgisch so ausgefeilter Tag, als hätte Ildikó von Kürthy das Drehbuch geschrieben, denken einige an dieser Stelle sicherlich. Und wie in einem von-Kürthy-Roman geraten die Protagonisten dieser Episode durch Zufall in eine Runde Bookmaker. Ein Pferderennspiel. Wie originell. Man wettet auf die Zossen. Wie originell. Aber der Autor Giuseppe de Carolis wollte unbedingt etwas mehr Real-Life-Atmosphäre in sein Werk bringen, weswegen immer zwei Spieler in unserer Runde Buchmacher sind, die die Quoten für die vier Pferde festlegen und die Wetten der Mitspieler annehmen – das ist hektisch und umständlich, es nimmt Fahrt aus dem Spiel. Um sein Geld nicht vollkommen ins Dunkle zu platzieren, erhält jeder Rennbahnbesucher vorab ein paar grobe Informationen über die Chancen der Gäule, die Buchmacher ein paar mehr – und dann wird gezockt. Zwar sind wir eine vom Schicksal zusammengewürfelte Achtergruppe, aber in unseren Reihen zählen wir trotzdem genug Wahnsinnige, sodass bei dem eigentlich sehr simplen Spiel geschrien, gefeixt, jubiliert wird, als wetteten wir mit echtem Geld. In so einer Runde kann Bookmaker sicherlich mal Spaß machen, der spielerische Gehalt bleibt aber wohl eher mau. Erster Eindruck: Aus uns wird keine große Liebe.

Die Desperados reiten marodierend durch den Wilden Westen. Sie überfallen Banken, rauben Postkutschen aus und betrügen bestimmt auch noch beim Pokern. Sie werden also vollkommen zurecht polizeilich gesucht.

Von der Rennbahn geht es direkt in den Wilden Westen. Bei Argentum versuchen die Desperados, den Marshall mal so richtig hinters Licht zu führen. Sie rauben Banken aus, überfallen Postkutschen und gewinnen Pokerrunden. Der Witz: Jeder Spieler plant seinen Ritt durch die Prärie geheim, nur Pokerabende und Kutschenplünderungen müssen via Aktionsmarker angezeigt sein. Erst wenn fünf Züge gespielt sind, decken alle ihre Karten auf – und erst dann zeigt sich, ob ein Desperado seine Übeltätereien alle ausführen kann oder ob er zuvor vom Auge des Gesetzes in einer Stadt gesichtet und anschließend dingfest gemacht wurde. Es dauert eine Weile, um in Desperados hineinzufinden, doch dann spielt es sich recht schnell. Aber die Lunte fing kein Feuer, der Esprit wollte sich nicht erschließen, vielleichten fehlten ein paar Bourbon und Biere für die nötige Saloon-Atmosphäre, jenem Feuchtbiotop, in dem Altherrenwitze so wundervoll gedeihen und dem Spiel die nötige Würze verleihen könnten. Aber will man sich ein Spiel eigentlich erst schön saufen, bevor man den Abend und vielleicht auch die Nacht mit ihm verbringt? Erster Eindruck: Hmmpf.

Versemmelter Absacker: Fundstücke.

Als Absacker eine Runde Friedemann Frieses Fundstücke. Falsch erklärt, falsch gespielt. Mitten im Spiel nur gewundert, dass es so hakt, nachgelesen, aber ohne Energie mehr für einen Neustart, also abgebrochen. Erster Eindruck: Erklärbären sollten besser geschult werden.