Murano_CoverHiddigwarden, im Oktober. Weil es bei einer kleinen Reihe – wie unserer Messevorschau – wichtig ist, einen Wiederkennungswert zu erzeugen (wie ja auch der Tatort-Vorspann seit dem Dreißigjährigen Krieg genau deshalb nicht mehr verändert wurde), starten wir dieses Textchen über Lookout so wie beim letzten Mal: Regional ist das neue bio. Sagt zumindest die Regionalbewegung. Und weil die Pöppelhelden bio voll gut finden, spielen sie bevorzugt Spiele aus abbaubaren Materialien wie Holzklötzchen und Pappmarkern. Bäh sind dagegen Dinge, die auch Jahre, nachdem man sie in den Wald geschmissen hat, nicht verrotten. Konsolen zum Beispiel. Also sind wir auch für regional – und schauen kurz vor Essen noch mal bei den Autoren und Verlagen vorbei, die bei der Spiel mit Neuheiten präsent sein werden. Dabei geht es uns natürlich nicht darum, die Neuheiten abschließend zu bewerten, sondern vor allem auf die Entwicklungsgeschichte zu schauen. Also auf zum Bauernhof von Lookout Spiele inmitten der saftig grünen Weiden in der Wesermarsch.

Murano von Inka und Markus Brand

Es kam alles ganz anders: Die Brands, neben Kramer & Kiesling und Milton & Bradley das erfolgreichste Duo in der Autorenzunft, ersannen eigentlich ein Spiel über Stadtentwicklung. Lookout wollte es eigentlich 2015 herausbringen. Mittlerweile geht es um Venedig und Murano erscheint jetzt. In ein paar Tagen. In Essen. „Wir haben im Frühsommer die Bremse gezogen“, sagt Hanno Girke, der früher mal Verleger und Redakteur in Personalunion war, aber mittlerweile als Oberschul-Lehrer in Nordenham tätig und nur noch Verlags-Eigentümer mit Sperrminorität ist. Ein anderer Titel benötigt noch ein bisschen Schliff, also wurde umdisponiert. Geht. Zumindest bei einem Kleineverlag.

Nun also die Brands bei Lookout. Große Namen. Und die gesamte Familie, Inka und Markus, Emely und Lukas, ist auf der Schachtel abgebildet. „Wir machen gern ein wenig Kult um unsere Autoren“, erklärt Doris Girke-Meßmer, Hannos Frau und neben Mayfairs Larry Roznai Geschäftsführerin auf dem Ausguck. Deswegen finden sich die Brands dieses Mal auch im L-Deck für Agricola. Die Lookout-Familie, zu der eben nicht nur Grafiker Klemens Franz, Redakteur Stefan Stadler und Hausautor Uwe Rosenberg gehören, wächst. Und sie wird gepflegt.

Die Brands. Ab Essen sind sie ein Teil der großen Lookout-Familie. Der größte Liebesbeweis: die Aufnahme ins L-Deck.

Die Brands. Ab Essen sind sie ein Teil der großen Lookout-Familie. Der größte Liebesbeweis: die Aufnahme ins L-Deck.

Diese Brands hatten sich ein Stadtentwicklungsspiel ausgedacht. Doch das gab es zuletzt so oft, Lookout hat mit Suburbia selbst eins im Programm. Deswegen wurde ein neues Thema gesucht. Und Murano, die Inselgruppe in der Lagune von Venedig, berühmt für ihre Glaskunst, ist es dann geworden. Die spielte bislang im großen Kanon der Venedig-Titel in der Geschichte des Gesellschaftsspiels noch keine nennenswerte Rolle. „Wir haben ein stimmiges Thema gefunden und konnten dadurch auch den Mechanismus ausfeilen. Jetzt kommen sowohl die Produktion als auch der Handel besser zum Tragen“, sagt Hanno am Abendbrottisch und schmeißt für den Fragensteller noch einen Bratfisch in die Pfanne.

Der Kern ist ein „recht unverbrauchter Mechanismus“, die Spieler gondeln mit ihren Bötchen – ausrangierte Kähne, die früher für Hans im Glück ihren Dienst in maorischen Gewässern taten – auf die Aktionsfelder rund um die im Zentrum liegenden Inseln. Das geht allerdings nur, wenn das Zielfeld frei ist. Da sich gleich acht Schiffe auf den 18 Feldern tummeln, kann es schon einmal zu Feierabendverkehr auf dem Wasserwegenetz kommen. Und das ist der Clou. „Ich würde es einen Staumechanismus nennen, weil man andere auch blockieren kann.“ Denn auch darum geht es: nicht nur den eigenen Vorteil beim Zug im Blick zu haben, sondern die Mitspieler ein wenig zu behindern. Abgerundet wird Murano durch die Charaktere, denn jeder verlangt anderes, um den Spieler am Ende mit Siegpunkten zu überschütten. Was deswegen wichtig ist, weil der Überschütteste von allen gewinnt. Wer nicht siegreich ist, kann sich zumindest an den schönen Illustrationen von Klemens Franz erfreuen. In der Gewichtsklasse ist Murano ein bisschen unter Village anzusiedeln, findet Hanno Girke, für Boxfreunde pendelt sich die Waage beim neuen Großen im Ausguck deswegen beim Weltergewicht ein.

Freie Fahrt auf dem Kanal, wie in dieser Szene beim Spiel mit einem Prototypen, ist selten. Oft hängt der Gondoliere im Rushhour-Stau. Foto: Andreas Becker

Freie Fahrt auf dem Kanal, wie in dieser Szene beim Spiel mit einem Prototypen, ist selten. Oft hängt der Gondoliere im Rushhour-Stau fest. Foto: Andreas Becker

Wer übrigens nicht nur auf nachhaltigen Spielspaß, sondern auch auf nachhaltige Produktion wert legt, kann ebenfalls beruhigt bei Murano zuschlagen. Alles in dem Spiel wurde in Deutschland produziert. „Es geht darum, möglichst kurze Wege zu haben“, sagen die Girkes. Deswegen suchen sie nachhaltige Lösungen. Da passt es auch, dass der Haupthersteller der Spielkomponenten die fertigen Produkte in einem Betrieb der Lebenshilfe konfektionieren lässt. „Wir haben aber auch festgestellt, dass unsere Kunden Wert auf Holzspielsteine legen und möglichst wenig Plastik wollen“, erzählt die Chefin.

Patchwork_CoverPatchwork von Uwe Rosenberg

Wie viel Uwe Rosenberg verkraftet der Markt? Oder vielmehr: das Portemonnaie des Spielefreaks? Komplizierte Frage, aber um auf Nummer sicher zu gehen, wird die Kuh nicht gemolken, bis sie zum Gerippe dehydriert und entmilcht zusammenbricht. Da Feuerland Spiele mit Arler Erde in diesem Herbst einen großen Rosenberg herausbringt, wird es bei Lookout nur ein kleiner sein, ein Zwei-Personen-Spiel. Eine Reihe, die Lookout sowieso gerade sehr pflegt und ausbaut.

Patchwork war eigentlich ein Zoo-Spiel. Und deswegen schwierig. Das Zoo-Spiel schlechthin ist derzeit nämlich immer noch Zooloretto, „außerdem wären die Tiere auf den Plättchen sehr klein geworden“, erzählt Hanno Girke. Da Uwe Rosenberg seinem Leib-und-Magen-Verlag redaktionell alle Freiheiten ließ, wurde im Team nach einem neuen Aufhänger gesucht. So langsam kamen die Männer in der Runde über ihre Frauen auf eine verwegene Idee: „Frau Girke näht gern. Frau Klemens näht gern. Und Frau Stadler näht gern. Da ist der Funke schnell übergesprungen“, sagt Hanno Girke. Und ja, er sagt wirklich: Frau Klemens. Das Thema passte auch so gut wegen des Puzzle-Aspekts –noch so ein Frauen-affines Ding, zumindest wenn man die Motivwahl bei Ravensburger als Indikator für die Hauptkäuferschicht nimmt. So stieß das Team auf das Thema Quilt. Und Quilten ist nun wirklich mal ein unverbrauchtes Sujet, eine ungemolkene Kuh sozusagen.

Herausgekommen ist laut Lookout ein schönes Crossover. Zum einen können die Gelegenheitsspieler munter drauflosquilten, zum anderen der Tüftler seine Züge ausreizen, bis die Nähnadel qualmt. Quasi. „Auf der GenCon in Indianapolis sind von dem Titel schon viele Frauen angesprochen worden. Aber gespielt haben es dann Männer und Frauen, und zwar, und zwar beide sehr gern“, berichtet Doris Girke-Meßmer vom ersten Praxistest in den USA. Und so soll das Spiel ja auch funktionieren: Der spieleverrückte Freund bekommt seine nicht ganz so spieleverrückte Freundin sehr wahrscheinlich eher für eine gemeinsame Partie Patchwork an den Tisch, als wenn sie Panzer auf Normandie-Plänen positionieren müsste, um dann nach viereinhalb Stunden die nächste Großoffensive zu starten.

Zwei-Personen-Spiele werden bei Lookout gerade gepflegt. Im Sommer erschien bereits das lockere Legespiel Gold Ahoi!     Zwei-Personen-Spiele werden bei Lookout gerade gepflegt. Im Sommer erschien bereits das lockere Legespiel Gold Ahoi!

Zwei-Personen-Spiele werden bei Lookout gerade gepflegt. Im Sommer erschien bereits das lockere Legespiel Gold Ahoi! Foto: Andreas Becker

Kleine Zwei-Personen-Spiele sind sowieso gerade ein Trend im Lookout-Programm. Denn es soll zum Beispiel Menschen geben, die nach einem langen Arbeitstag nicht das Bedürfnis verspüren, abends noch einen schönen 75-Minüter aufzubauen, auf eine flotte Runde allerdings durchaus Lust verspüren. Deswegen die kleine Schachtel mit den schnellen, aber alles andere als anspruchslosen Titeln. „Das Segment wollen wir mit zwei oder drei Titeln im Jahr weiter ausbauen“, heißt es vom Verlag.

Antizyklisch ist es, im Sommer bereits einen nicht zu großes Spiel über den Diamantenhandel im Orient hrauszubringen, das gut ins Reisegepäck passt.

Antizyklisch ist es, im Sommer bereits einen nicht zu großes Spiel über den Diamantenhandel im Orient hrauszubringen, das gut ins Reisegepäck passt.

Und weil das Haus aus der Wesermarsch im Rahmen der Globalisierung eine amerikanische Mutter bekommen hat, die aber irgendwie auch so etwas wie eine beste Freundin ist, gibt es möglichst schon im Sommer erste neue Spiele, wie dieses Jahr Gold Ahoi! von Stephan Herminghaus oder Johari von Carlo Lavezzi (auch das: ein Kennenlern-Tipp), damit die rechtzeitig für die GenCon fertig sind. Außerdem ist das natürlich antizyklisch kluges Handeln: Im spielerischen Sommerloch, wenn gerade nichts passiert, weil sich alle in der Branche schon komplett auf Essen konzentrieren, sind vor allem kleinere Titel sehr begehrt, weil sie ohne Probleme mit in den Urlaub genommen werden können.

Aber Kenner wissen, dass sich ein Besuch bei Lookout auf der Messe immer lohnt. Allein schon wegen all der Goodies, die es gibt. Zum Beispiel das Kundenmagazin „Neues vom Ausguck“, die bereits erwähnten L-Deck-Karten, drei Sonderkarten für Murano oder ein Upgrade-Kit für Patchwork.

Den ersten Teil unserer regionalen Rundschau mit Reihard Staupe und Michael Kiesling gibt es hier.

Erklärungen für Reinhard Staupes Begeisterung für Kühe stehen auf dieser Seite.