Hellwege, im Oktober. Jaja, Wiedererkennung, schon klar. Also: Fanfare. Und los: Regional ist das neue bio. Sagt zumindest die Regionalbewegung. Und weil die Pöppelhelden bio voll gut finden, spielen sie bevorzugt Spiele aus abbaubaren Materialien wie Holzklötzchen und Pappmarkern. Bäh sind dagegen Dinge, die auch Jahre, nachdem man sie in den Wald geschmissen hat, nicht verrotten. Konsolen zum Beispiel. Also sind wir auch für regional – und schauen kurz vor Essen noch mal bei den Autoren und Verlagen vorbei, die bei der Spiel mit Neuheiten präsent sein werden. Dabei geht es uns natürlich nicht darum, die Neuheiten abschließend zu bewerten, sondern vor allem auf die Entwicklungsgeschichte zu schauen. Und die zog sich bei Reinhard Staupes Kuh-Reihe über elf Jahre.
Kuh Vadis, Kuhlorado und Zum Kuhkuck von Reinhard Staupe bei Nürnberger-Spielkarten-Verlag
Die Klammer, sie fehlte. Seit fünf Jahren hatte Reinhard Staupe das Konzept und erste Spielideen in der Schublade. Aber dafür musste etwas Verbindendes her, das, was den Wiedererkennungswert steigert, etwas, weshalb die Käufer wie ferngesteuert ins Regal greifen, weil sie wissen, da ist etwas Gutes drin. Uwe Rosenberg hat es vorgemacht mit Bohnanza, zig Erweiterungen gibt es, die sich durch das Bohnen-Thema kalauern, teilweise etwas gequält wie Dschingis Bohn, mal geniale Verballhornungen wie Mutterböhnchen. Genau so ein Geistesblitz fehlte Reinhard Staupe.
Fünf Jahre also schlummerte da schon diese Idee für ein recht simples Würfelspiel, bei dem es darum geht, seinen Weg zu finden. Ein Gedanke, der sich da für den Titel richtiggehend aufdrängte: Quo vadis – Wohin gehst Du? Ärgerlich nur, dass Knizia da schon was draußen hatte. Quo vadis? kreiste es weiter in Staupes Kopf und irgendwann hakte der Gedanke am Sound fest. Quo? Quo? Halt, nein: Kuh! Im Comic wäre jetzt eine 200-Watt-Lampe über des Spieleerfinders Haupt erglüht, denn Staupe hatte gefunden, was er suchte: Die verbindende Idee. Es müssen Kuh-Spiele sein. So simpel, so naheliegend, so viele Jahre waren dafür ins Land gegangen. Aber es sollten sechs weitere folgen.
Dabei ist Reinhard Staupe eigentlich kein Ewig-Grübler, im Gegenteil. „Wenn eine Grundidee steht, bin ich immer relativ flott“, sagt er. Was auch daran liegt, dass er gern einfache Spiele mit schnellem Zugang gestaltet. Die Spiele selbst standen im Grunde ja auch schon: Kuh Vadis war produktionsreif, mit Kuhlorado hatte er eine Verfeinerung seines Colorado County im Sinn, Zum Kuhkuck wollte er fertigstellen, wenn der Startschuss zur Reihe wirklich fallen würde. Aber der Knall, nachdem alle loslaufen und machen, der blieb weiterhin aus.
„Es hing zuerst am Grafiker Oliver Freudenreich“, sagt Staupe. Weil Freudenreich in der Regel bis über beide Ohren Aufträge abarbeiten muss, schafft er es trotz seines immensen Arbeitspensums nicht, die Kühe dazwischenzuschieben. So verging 2009. Dann änderte sich auch einiges in Staupes Leben. Seine Freundin und er bekamen einen Sohn, dann war der noch der Umzug in den Norden. So verstrichen 2010 und 2011. Schließlich kam der Auftrag der Nürnberger, als Redakteur eine eigene Reihe mit Autorenspielen aufzubauen. Es war Januar 2012 – „und im Februar bekam ich Qwixx auf den Tisch“, erzählt Staupe. Ein Spiel, das abging wie eine Rakete, über 300.000 verkaufte Exemplare. Das war sensationell, bedeutete aber auch einen Haufen Arbeit. 2013 galoppierte so davon. „Bei der Messe in Nürnberg habe ich dann zu Oliver gesagt: Entweder wir machen die Kuh-Spiele dieses Jahr oder es wird nichts mehr.“ Und als hätte Freudenreich damit gerechnet, sagte er, dass er sich 2014 tatsächlich Zeit freigeschaufelt habe.
Nun wurde die grafische Gestaltung ins Visier genommen, elf Jahre nach der ersten Idee. Aber es ging nicht ja nicht nur darum, ein Spiel zu gestalten. Es ging um so viel mehr, eine Reihe, etwas Unverwechselbares, etwas, das jeder möglichst bald schon aus dem Augenwinkel richtig einordnen sollte. Nach Nürnberg glühten die E-Mail-Accounts, Freudenreich schrieb 105 Mails an Staupe, hing 82 pdf-Dateien an, in denen 344 Seiten Gestaltungs-Ideen steckten. Staupe selbst schrieb 86 Mails an den Grafiker zurück, die beiden telefonierten häufiger als verliebte Teenager, rund 250 Gespräche dürften es gewesen sein, schätzt Staupe. Er hat auf seiner Homepage vor allem den grafischen Werdegang seiner Kuh-Reihe fantastisch dokumentiert, ein Must-Read.
Reinhard Staupe ist recht zuversichtlich, dass die Reihe zünden könnte. Obwohl man auf diesem sehr überreizten deutschen Spielemarkt natürlich nie genau weiß. „Aber die Reaktionen in den Test waren ziemlich gut.“ Außerdem sind Zweier-Spiele gerade ein Trend. Und vor allem so leichte Zweier, welche, die nicht nur den Freaks Spaß machen, sondern mit denen jeder klarkommt. Zumindest jeder, der auch Qwixx verstanden hat. Wobei das Würfelspiel von Steffen Benndorf mit seinem Erfolg auch für die Kuh-Reihe von großer Bedeutung ist. „Qwixx hat uns neue Vertriebswege eröffnet.“ Über diese sollen auch Staupes Kühe in den Laden gelangen. Und wenn sie gefallen, kann er sofort neue Titel nachlegen. Er muss nur seine über elf Jahre gut gefüllte Ideen-Schublade öffnen.
Den ersten Teil unserer regionalen Rundschau mit Reinhard Staupe und Michael Kiesling gibt es hier.
Teil zwei mit dem Ausflug nach Hiddigwarden lesen Interessierte an dieser Stelle.
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