Essen, 19. Oktober 2014
wir haben unseren Frieden mit Essen geschlossen. Am Ende war es doch irgendwie auch wieder tuffte. Und anstrengend, natürlich. Aber im Großen und Ganzen waren es einige schöne Spiele, die wir entdeckt haben. Egal wie fürchterlich unser Off-Road-Trip am Freitag auch gewesen sein mag. Der Sonntag ist nun nach drei Tagen Hallen-Latschen quasi das Auslaufen, das Barfuß-über-den-Rasen-Traben.
Sonntags, 9.40 Uhr, Halle 3, da ist die Welt noch in Ordnung. Es ist still, draußen im Foyer drängeln die Spielermassen schon wieder wie die Zuchtbullen vor der Viehauktion in Vechta, in der Halle warnt eine nette Frauenstimme die Aussteller vor: Wegen des Andrangs werden die Tore zehn Minuten früher als sonst geöffnet. War an allen Tagen so, mal ein paar Minuten mehr, mal ein paar weniger. Wobei gefühlt in diesem Jahr insgesamt weniger los war als in den Vorjahren. Oft waren die Gänge nicht verstopft, sondern wir konnten problemlos durch die Standfluchten spazieren. Und sehr oft war es auch kein Problem, einen Platz zu finden und zu spielen.
Wir warten derweil am Hans-im-Glück-Stand, 9.45 Uhr. Und noch kein Mensch zu sehen, nur erste Spieler, die schon in die Halle gekommen sind. Aber kein Verlagsverantwortlicher da, kein Erklärbär. Ist Hans im Glück etwa Die Bahn unter den Verlagen, wird gestreikt? Oder ist dieser Sonntag Ruhetag? Es sieht ein bisschen so aus. Bis zehn Minuten vor zehn der erste Erklärbär angehetzt kommt – und sich wundert, dass er der Erste am Stand ist.
Die Staufer von Andreas Steding bei Hans im Glück
Es ist ein bisschen unsere neue Sonntagstradition, der letzte Messetag beginnt mit dem neuen Großen von Hans im Glück, unser Frühschoppen-Ersatz, sozusagen. Dieses Jahr gibt es also: Die Staufer. Von Andreas Steding, den man seit Hansa Teutonica ja ganz unbedingt auf dem Schirm haben muss. Und wie immer bei Hans im Glück wird das Spiel grandios erklärt. Aber letztlich ist es auch nicht besonders schwierig, was den Verlag wiederum auszeichnet: Tiefgang, geschmeidig verpackt und entsprechend flott aus dem Handgelenk gespielt. Es gibt nur zwei Aktionen: Spielsteintank füllen oder einen Koch- oder Schlumpfpöppel (die aber ganz andere Berufsstände verkörpern sollen, wie uns in der Erklärung versichert wird) auf den Plan setzen. Ja, auch Die Staufer spielt sich gut, alles passt nach der DIN-Norm 18223 (sprich: achtzehnzwodreiundzwanzig) für komplexere Spiele perfekt zusammen. Doch der Kick, das emotionale Berührtsein oder auch nur das anerkennende Schnaufen für den ganz großen Wurf, das alles bleibt aus. Schulnotentechnisch gibt es im Fairplay-Scouting deswegen auch dafür eine 2 (wie für Orléans oder auch Grog Island).
Versailles von Andrei Novac bei NSKN Legendary Games und Heidelberger Spieleverlag
Ja, wir sind Ignoranten. Denn wir geben es zu: Wir hatten dieses rumänische Spielchen gar nicht auf dem Schirm. Bis uns Christian, der Erik,–der–Rote-Erfinder, den Tipp am Sonnabend (wie man bei uns im Norden noch sagt) gab. Gut, der Tipp mit Medieval Academy hat uns nicht ganz so gerockt, weil uns der Spielverlauf dann doch zu flach war, aber dieses Mal horchen wir auf. Nicht nur weil wie dieses Mal eine wirklich gute Erklärung am Stand der Heidelberger bekommen haben (was laut unser aller Erinnerung noch nie der Fall war), sondern weil wir sie vielleicht doch entdeckt haben, die Perle, die wir suchten. Nun, es ist, zugegeben, keine besonders große und nicht die schillernste Perle, aber es ist doch eine Perle. Novac hat hierfür das Worker-Placement qua Rundlauf durch den königlichen Garten mit einer Art Worker-Movement gepaart – und eine starke Arbeiterbewegung ist aus meiner Sicht immer eine gute Sache. Die Agilität der Angestellten macht Versailles – wegen diverser Einbahnstraßen im Park – zu einer trickreichen Angelegenheit, man muss erst ein Gespür für das dafür notwenige Timing entwickeln, während wir gemeinsam am Palast bauen. Schön ist daran auch, dass die Züge schnell gehen, was daran liegt, dass jedes Einsetzfeld von allen Spielern genutzt werden darf. Man muss also nicht schnell einen Plan B, C oder gar D entwerfen, wenn einem sein Feld, wie sonst beim Arbeiter-Platzieren üblich, weggeschnappt wird. Vielmehr dominieren logistische Gedanken, die sich um Wegeoptimierung drehen. Ein sehr gelungenes Spiel, das die Heidelberger da im Portfolio haben. Und eines, das in den gängigen Empfehlungslisten nirgends auftauchte und deswegen wohl zu Unrecht viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Nicht so bei den Pöppelhelden.
Five Tribes von Bruno Cathala bei Days of Wonder und Asmodee Deutschland
Im Grunde gibt es dem ersten Beschnuppern von Five Tribes nichts hinzuzufügen. Außer vielleicht der Beobachtung nach nun mehreren Partien, dass sich der Mechanismus trotz der immensen Auswahl an Zügen vor allem im frühen Spiel doch schnell spielen lässt. Und mit Blick auf die Möglichkeiten, die das Spiel bietet, erhärtet sich zumindest der Verdacht: Five Tribes kann man spielen. Oder man kann es spielen.
Schraube Locker von Daniela Lächner und Christian Stöhr bei AMIGO Spiel + Freizeit GmbH
Spiele – aber ganz eigentlich oft die Hintergrundgeschichte, die in der Spielregel steht – bieten dem Hermeneutiker oft eine ganze Menge Spaß. Und Schraube Locker gehört irgendwie dazu, denn dass die Schraube einen Eigennamen hat, ist schon eine schöne Idee. Zumal es im Spiel eigentlich um Roboter geht, die versuchen, ihre Schrauben festzuziehen. Dies tun sie, indem sie versuchen, die passenden Muttern zu ihren lockeren Schrauben zu sammeln. Das gelingt, wenn einem die Würfel gestatten, das Zielfeld zu erreichen. Aber weil Würfel nun mal über einen eigenen Kopf verfügen und sich partout einfach nichts vorschreiben lassen, klappt das nicht immer. Nun ja, am Ende kommt dabei eine mittelmäßige Würfelei heraus, die in der gesamten Neuheitenflut untergehen wird. Merk Dir meine Worte, liebes Tagebuch. Und für dieses Jahr wirst Du nun geschlossen.
Oktober 20th, 2014 on 16:25
Waren die Kartoffeldinger so lecker wie sie aussahen? Gegen Ende hätte ich mir gerne sowas gekauft, wusste aber leider nicht wo 😉