Making of … Kieslings Dreiklang: Sanssouci, Nauticus, Glück aufBremen, im September. Der Stil von Michael Kieslings Büro lässt sich vielleicht als praktische Sachlichkeit beschreiben: ein Schreibtisch mit Computer, ein kleiner Besprechungstisch, weiße Wände, robuste Auslegeware. Vor dem Schreibtisch versieht eine Palme ihren Dienst als Raumtrenner, an der Wand hängen Drucke voll expressionistischer Farbwucht und ein Kalender mit Bildern von Pontiacs. Alles: sehr geschäftsmäßig. So stellt man sich das Büro des Chefs einer Software-Firma vor. Wenn da nicht dieses Sideboard wäre. An die jüngste Spiel-des-Jahres-Verleihung erinnert ein kleiner Pappaufsteller des anthrazitfarbenen Pöppels, ein Souvenir für die Nominierung von Die Paläste von Carrara. Daneben türmen sich quadratische Spieleschachteln, alle noch eingeschweißt, druckfrisch. Ravensburger hat Michael Kiesling seine Exemplare von Sanssouci just geschickt.

Auf dem Besprechungstisch hat Michael Kiesling, der Bastler, der Meister der Prototyp-Gestaltung im Team mit Wolfgang Kramer, bereits sein selbstentworfenes Sanssouci-Spielmaterial ausgebreitet, ganz wie vorab verabredet. Er verschwindet kurz in der Küche, bringt für seinen Gesprächspartner einen Becher schwarzen Tee und Hafertaler auf einem weißen Teller. Kiesling verzichtet auf Gebäck („Ich hatte schon“), hat in seinem Werder-Becher, unterschrieben von allen Spielern des Kaders aus der vergessenswürdigen Vorsaison, aber auch noch Tee. Auf geht’s, ein Gespräch über die Entstehung seiner drei Essen-Neuheiten Sanssouci, Nauticus und Glück auf. Kiesling lehnt sich entspannt zurück und hat Spaß. Am Thema. Und auch an Sanssouci, das Ravensburger so umgesetzt hat, dass er wirklich sehr zufrieden ist. „Die Entscheidung im Verlag für Sanssouci ist schnell gefallen. Was mich sehr freut. Es ist mein erstes Spiel allein bei Ravensburger.“

Michael Kiesling in seinem Büro. Das ganz chefmäßig daherkommt. Nur der Stapel Sanssouci durchbricht die Strenge der sachlichen Zweckmäßigkeit.

Michael Kiesling in seinem Büro. Das ganz chefmäßig daherkommt. Nur der Stapel Sanssouci durchbricht die Strenge der sachlichen Zweckmäßigkeit. Foto: Andreas

Das Telefon klingelt, und das ist auch ein bisschen so, wie man es im Büro eines Firmenchefs erwartet.
„Entschuldigung.“
„Kein Problem.“
Er steht auf, nimmt den Hörer ab und verspricht, sich morgen zu melden. Jetzt passe es gerade nicht, ein Gespräch.
„Das war Wolfgang Kramer“, sagt er und setzt sich wieder. Die beiden telefonieren eigentlich jeden Tag, weil sie beide immer irgendein Spiel weiterentwickeln wollen. Über Sanssouci haben sie nicht am Telefon geredet, es war Kieslings Solo, von Anfang bis Ende.

SanssouciSANSSOUCI
Michael Kiesling saß in seinem Garten und blickte auf die Weser. Er dachte: „Man müsste mal etwas Schönes mit Gärten machen.“ Das Thema schien ihm unverbraucht. Dabei lag es doch auf der Hand. Gärten bieten sich für Spiele geradezu an. Er dachte an barocke Gärten, die Herrenhäuser Gärten in Hannover, an Sanssouci in Potsdam. „Also habe ich geguckt, ob es das schon gibt.“ Aber tatsächlich: barocken Gartenbau, so ein Spiel gab es noch nicht. Und weil es nicht einmal ein Spiel namens Sanssouci gab, erkundigten sich die Ravensburger, ob sie den Namen verwenden dürfen. Durften sie. Als Gegenleistung liegt in jedem Karton die Broschüre „Preußische Schlösser und Gärten in Berlin und Brandenburg“. So lernt man auch noch ein wenig mit dem Spiel.

„Ich mache gern Spiele mit Plättchen, die man zusammenlegt“, sagt Kiesling und nimmt sich mehrere der kleinen Quadrate, die er für den Prototypen gebastelt hatte. Die Frage war nur, wie das Ablegen der Plättchen gesteuert werden sollte. Recht bald hatte er ein Koordinatensystem entworfen, eine Kombination aus Buchstaben und Farben, die den Spielern genau anzeigten, wohin sie ihr Plättchen legen müssen. Zudem gab es Karten, die die Plättchenauswahl im Zug einschränkten. Aus den Buchstaben wurden schließlich neun Gartenausbauten wie Treppen, Brunnen oder Labyrinthe, die fünf Farben blieben – aber dann fing die Arbeit erst an. „Und es war viel Arbeit“, sagt Michael Kiesling.

Sanssouci macht wirklich Spaß, die Pöppelhelden haben es schon gespielt. Aber noch stimmungsvoller wird es, wenn die Garderobe auf das jeweilige Spielerlebnis abgestimmt wird. Serviervorschlag von Ravensburger. Foto: Ravensburger

Sanssouci macht wirklich Spaß, die Pöppelhelden haben es schon gespielt. Aber noch stimmungsvoller wird es, wenn die Garderobe auf das jeweilige Spielerlebnis abgestimmt wird. Serviervorschlag von Ravensburger. Foto: Ravensburger

Es musste getestet werden, welche Kartenkombinationen optimal sind, damit sich die Spieler zwar etwas Brauchbares aus der Auslage nehmen konnten, aber nicht jedes Mal die freie Auswahl hatten. Eine weitere sehr kleinteilige Arbeit waren die Spielertableaus: Wie groß sollten sie werden? Wie viele Spalten durften sie haben, damit es nicht zu einfach oder nicht zu ausufernd würde? Das musste getestet werden, immer und immer wieder. Am Ende stand die aus seiner Sicht richtige Größe: neun Spalten à sechs Reihen. Und das hat Ravensburger auch so gelassen.

In der Entwicklungsarbeit mit Alea-Redakteur Stefan Brück schließlich brachte dieser den Gedanken ein, dass einige Felder vorgedruckt sein sollten, damit eine Partie schneller Fahrt aufnimmt. Mit den bereits ausgefüllten Feldern ließ sich zudem eine schöne Variable ins Spielgeschehen einflechten, weil jede der acht Spielplanseiten eine andere Startvoraussetzung mitbringt. Zudem hatte Brück die Idee, das Spiel von Anfang an mit einer kleinen Erweiterung auszurüsten, Tafeln, die für bestimmte Felder noch einmal Zusatz- oder Minuspunkte bringen.

„Dann gab es noch einen Problemfall: Was soll passieren, wenn ein Teil auf ein bereits belegtes Feld gelegt werden müsste?“, erzählt Kiesling. Die Lösung: Diese Teile werden einfach verschoben. Da aber die Vorgabe stand, dass die neun Gartenausbauten zwingend nur in ihre Spalte gebaut werden dürfen, musste es eine Zusatzfunktion geben. Und die wurde auf die Rückseite der Plättchen gedruckt. „Ich hatte da erst Parkbänke vorgesehen. Aber mmmmmh … Das war nicht so schön. Dann wurden es Gärtner.“

Michael Kiesling ist der Prototypen-Bastler. Mit Corel Draw entwirft er die Designs für seine Spiele im Frühstadium - und die Grafiker müssen dann nur noch ein wenig Finetuning betreiben.

Michael Kiesling ist der Prototypen-Bastler. Mit Corel Draw entwirft er die Designs für seine Spiele im Frühstadium – und die Grafiker müssen dann nur noch ein wenig Finetuning betreiben. Foto: Andreas

Mit dem Koordinatensystem zur Plättchenablage ist Kiesling zufrieden. „Ich glaube auch, dass es das in dieser Form noch nicht gibt“, sagt er. Wobei er auch sagt, dass es nicht darum geht, das Rad jedes Mal neu zu erfinden. „In meinen Augen ist ein Spiel da eher wie ein gutes Essen. Die Zutaten sind auch da immer die gleichen. Es geht lediglich darum, neue Kombinationen zu finden, die es so vielleicht noch nicht gab.“ Und die dann auch möglichst vielen guten schmecken.

Ravensburger-Redakteur Philipp Sprick jedenfalls hat es gemundet. Im vergangenen Jahr hatte Kiesling ihm Sanssouci während der Spielemesse in Essen vorgestellt. „Ihm hat es gefallen. Er hat es dann mitgenommen und im Verlag vorgestellt“, erzählt Kiesling. Schon Anfang dieses Jahres kam der Anruf, dass Ravensburger es herausbringt. Die letzten, kurzen Feinschliffarbeiten mit Brück begannen.

Michael Kieslings Sanssouci-Prototyp ist optisch schon verblüffend nah am jetzigen Spiel. Wie immer hat er in Corel Draw die Einzelteile entworfen. So hat er sich zum Beispiel ein Rosenfoto aus dem Internet besorgt, die Blumen verkleinert und schon waren die Rosenbeet-Plättchen fertig. Die Auslage, die Grafiker Julien Delval streng und ordentlich aufgereiht hat, erinnert in Kieslings Entwurf sogar wesentlich stärker an eine Parklandschaft. Die Farbfelder hat er wie einen Stern angeordnet, drumherum sind die Ablagefelder für die Nachziehstapel und die Siegpunktleiste gesetzt. Das sieht alles etwas runder, organischer aus, nicht so geometrisch-streng wie jetzt. „Ja, da kommen schon einige Stunden für diese Arbeiten zusammen“, erzählt er. Aber er sagt das nicht stöhnend, er sagt es so wie jemand, der Spaß daran hat, schöne Prototypen zu entwickeln und sich dabei gestalterisch ein wenig auszutoben.

Sanssouci von Michael Kiesling, Ravensburger 2013, für 2 bis 4 Garten- und Landschaftsbauer ab 8 Jahren, Grafik: Julien Delval, Preis: rund 30 Euro

NauticusNAUTICUS
Michael Kiesling saß in seinem Garten und blickte auf die Weser. Er dachte: „Man müsste mal etwas Schönes mit Schiffen machen.“ Zumal er von seiner Terrasse ja auch immer wieder Schiffe vorbeifahren sieht. „Wenn ich mir die Frage stelle, wie man so ein Schiff baut, kommt natürlich wieder der Spezialist für Legespiele in mir durch“, sagt er. Was erklärt, warum das fertige Nauticus mit vergleichsweise wenig Spielpan auskommt, aber jede Menge Plättchen bietet, die im Laufe der Partie in erster Linie die Auslage der Spieler wachsen lassen. Nauticus ging Kiesling nicht als Solo an, dieses Mal griff er wie eigentlich immer zum Telefon und besprach die Idee mit seinem alten Fahrensmann: Wolfgang Kramer. Das Schiffsbauspiel war ein Projekt für das große deutsche Autoren-Duo Kramer/Kiesling, die k. u. k. Monarchie der Zunft.

Am Anfang des Schaffungsprozesses standen vor allem viele Fragen.
Woraus sollen die Schiffe bestehen? Es wurden flotte Dreiteiler aus Rumpf, Mast und Segel.
Sollen die Schiffe beladen werden? Ja, sie sollen, und zwar mit Salz oder Kaffee oder Fisch oder Getreide.
Haben die Spieler eine Werft? Auf jeden Fall.
Muss man etwas lagern? Ja, man muss. Ohne Lager wäre es reizlos gewesen, Dinge zu nehmen, die man nicht direkt verbauen oder verladen könnte. Und ohne Lager hätte es die Goldene Regel, dass alles, was nicht bezahlt wurde, erstmal im Werftschuppen verstaut werden muss, gar nicht geben können. Früh hatte Kiesling diese Idee.

Zwangloser Schiffsbau wäre doch viel zu langweilig. Deswegen muss es Regeln geben, strenge Reglen wie: Jeder Mast und jedes Segel müssen das gleiche Wappen tragen.

Zwangloser Schiffsbau wäre doch viel zu langweilig. Deswegen muss es Regeln geben, strenge Reglen wie: Jeder Mast und jedes Segel müssen das gleiche Wappen tragen. Foto: Andreas

Als nächstes galt es, den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen. „Deswegen müssen zum Beispiel Segel und Masten an einem Schiff immer das gleiche Wappen zeigen. Damit das Bauen interessant ist“, erklärt Michael Kiesling. Und das wird vor allem dann interessant, wenn ein Spieler Viermaster baut, die viele Siegpunkte und bei Fertigstellung viele Belohnungen bringen. „Aber genau da steckt der Teufel im Detail“, verspricht er. Man muss sehr gezielt auf die Schiffstaufe spielen, auch wenn es über die Kronen, sozusagen die Jokermasten und Jokersegel, etwas einfacher wird. Aber wirklich nur etwas. Denn es ist nicht ganz so simpel, an die Kronen heranzukommen, es gibt sie nur als Belohnung für Schiffe, die vom Stapel gelaufen sind. Andererseits sind die Kronen auch mächtig reizvoll und reizvoll mächtig, nur für sie gibt es Sonderwertungssiegpunkte. Wer auf diese zwischenzeitlich verteilten Leckerlis verzichtet, wird wahrscheinlich nicht als Sieger vom Tisch gehen, vielleicht sind die Kronen sogar die Killerstrategie in Nauticus, hieß es zumindest in Erste-Eindrücke-Berichten über das Spiel. Kiesling schmunzelt, das Argument mit der unschlagbaren Strategie bereitet ihm offensichtlich große Freude. „Probieren Sie es doch aus“, sagt er nur. Immer noch grinsend.

Dann steht er auf, öffnet das Sideboard und holt einen kleinen Karton hervor. Darin befindet sich ein Nauticus-Prototyp. Er kramt kurz in der Kiste und holt die Aktionsplättchen heraus, um das Rad zu erklären. Er schmunzelt schon wieder, weil er weiß, was viele auf Anhieb sagen werden. Es wird heißen, dass das mit dem Rad genau wie in Die Paläste von Carrara sei. In ihrem Kennerspiel-Nominierten haben k. u. k. das Rad zur Regulierung der Preise genutzt, auf diese Weise wurden die Steine immer günstiger. „Wir hatten auch jetzt ein Rad, weil man so einfach zu Preiswechseln kommt“, erklärt Kiesling. Von diesem Rad ist mittlerweile nicht mehr viel übrig. Sicher, die Plättchenablage ist immer noch rund (womit ein nicht unwesentliches Merkmal eines Rades in der Tat erfüllt ist), aber es wird über diese Auslage weit mehr als nur der Preis reguliert. Es sollte auch jede Runde für jede Aktion eine andere Anzahl an virtuellen Arbeitern geben (zumindest wenn es der Zufall zulässt), die allen Spielern zur Verfügung stehen. Und in jeder Runde sollte jede Aktion für den Startspieler an einen anderen Bonus geknüpft sein. Es wurde dann irgendwann unpraktisch, alles in einen Drehradmechanismus zu packen.

Neben der Runde für Runde variierenden Auslage, auf die die Spieler reagieren müssen, bauten die beiden Autoren weitere Zwänge ein. Das mag das Spiel etwas technisieren und nicht unbedingt immer den Erzählfluss unterstützen, aber Zwänge bringen Würze. Deswegen werden die meisten Spieler immer mal wieder über Ebbe im Portemonnaie klagen oder feststellen, dass sie erst in die Hafentaverne tapern müssen, um neue Arbeiter anzuheuern. „Es ist wichtig, Arbeiter zu haben“, sagt Kiesling. Und weil es wichtig ist, darf es nicht zu einfach sein.

Als Nauticus nach gut anderthalb Jahren ausgetestet war, schnappte sich Wolfgang Kramer den Prototypen und marschierte in die Kosmos-Zentrale in Stuttgart. Kramer hat es da nicht so weit, von daher bot sich das an. Und ein von den beiden quasi perfekt bis zur Marktreife getesteten Spiel will auch jeder Verlag erstmal sehen, da wird keiner weggeschickt, da gibt es keine vorformulierten Standardabsagebriefe und da gibt es keine Umwege über vorgeschaltete Prototypen-Test-Agenturen. Kramer und Kiesling können immer gleich mit den Entscheidern spielen.

Das Schiffsbau-Schwergewicht der k. u. k. Monarchie der Spieleautorenzunft hat das Kosmos-Team überzeugt - obwohl es für Familienspieler schon arg schwierig werden dürfte, erfolgreich in See zu stechen.

Das Schiffsbau-Schwergewicht der k. u. k. Monarchie der Spieleautorenzunft hat das Kosmos-Team überzeugt – obwohl es für Familienspieler schon arg schwierig werden dürfte, erfolgreich in See zu stechen. Foto: Andreas

Ob Kosmos aber wirklich zuschlagen würde, war trotzdem nicht sicher. Die Schiffsklasse von Nauticus ist schon das sehr gehobene Familienspiel, vielleicht ein bisschen zu viel für die Stuttgarter. Eigentlich. Aber den Redakteuren gefiel es, sie wollten es, und es ist erstaunlicherweise erst die zweite Kramer/Kiesling-Veröffentlichung seit der 2008 kaum wahrgenommenen, aber guten Romanverspielung von Der Schwarm. „Sie haben auch am Spiel nicht mehr viel gemacht, es ist nahezu unverändert erschienen“, sagt Kiesling. Aber das ist eigentlich auch der einzig gebührliche Umgang mit einem neuen Spross der k. u. k.-Familie.

Nauticus von Michael Kiesling und Wolfgang Kramer, Kosmos 2013, für 2 bis 4 Reederei-Riesen ab 12 Jahren, Grafik: Alexander Jung, Preis: rund 40 Euro

GlückAuf-CoverGLÜCK AUF
Michael Kiesling saß in seinem Garten und blickte auf die Weser. Er dachte: „Man müsste mal etwas Schönes mit einem Fahrstuhl machen.“ Er hatte auch gleich einen Einfall, wie ein richtiger kleiner Fahrstuhl gebaut werden kann. Zwei Holzstücke klebte er so zusammen, dass in der Mitte eine Aussparung frei blieb. Das Fahrstuhl-Plättchen legte nun darauf, mit Hilfe einer Schiene fuhr es ganz geschmeidig runter. Und wieder hoch. Und wieder runter. So einfach. Aber mit hohem Aufforderungscharakter. Und vor allem: So noch nicht dagewesen. Kiesling machte sich daran, ein passendes Thema zu recherchieren. Und natürlich war auch Kollege Kramer wieder mit in der Lore.

„Es lag auf der Hand, dass man mit dem Fahrstuhlsystem zum Beispiel etwas fördern konnte, was auf verschiedenen Ebenen liegt.“ Als erstes kam ihm da Kohle in den Sinn, das schwarze Gold des Industrialisierungs-Zeitalters. Da es Gott sei Dank Menschen gibt, die in ihrer Freizeit Freude daran finden, selbst ihr sehr besonderes Spezialwissen mit aller Welt zu teilen und das Internet das perfekte Medium für diesen Mitteilungsdrang darstellt, fand Kiesling auch Spannendes heraus. Die Welt der Kohle ist durchaus vielfältiger als es der Tage- und Untertagebau im Ruhrpöttischen gemeinhin Glauben macht. Es gibt eben nicht nur Braun- und Steinkohle. Nein, nein, es gibt auch Pechkohle, Shungitkohle, Wealdenkohle und Sapropelkohle. Damit hatte Kiesling tatsächlich eine Möglichkeit gefunden, dass aus den verschieden tief gegrabenen Flözen, die der Lift ansteuert, verschiedene Kohlen gefördert werden können.

Mit zwei Stücken Holz kreierte Michael Kiesling einen Fahrstuhl. Mit dem kann man zum Beispiel ganz hervorragend Kohle fördern. FOTO: ANDREAS

Mit zwei Stücken Holz kreierte Michael Kiesling einen Fahrstuhl. Mit dem kann man zum Beispiel ganz hervorragend Kohle fördern. Foto: Andreas

Im Grunde ist es ab da ganz einfach: Kohle wird gefördert und verkauft. Aus die Maus. Wer am besten fördert und absetzt, gewinnt. „Wir hatten wieder mit verschiedenen Steuerungsmechanismen gearbeitet“, erklärt Kiesling. Am Ende kristallisierte sich heraus, dass es als Worker Placement am besten funktioniert. Was ja auch auf der Hand liegt, schließlich spielt Glück auf Ende des 19. Jahrhunderts, als es eben noch keine monströsen Riesenbagger und allerlei andere Maschinen gab, die sich durch die Erdschichten fraßen. Damals fuhren ausschließlich hart arbeitende, ständig porentief verrußte Männer in die gefährlichen Tiefen, um die Kohle mühsam mit der Spitzhacke zu schlagen. Was passt also besser, ganz so wie früher auch die Bergwerks-Bosse, Arbeiter zur Kohlenförderung einzusetzen.

Das ist natürlich nicht neu. Kiesling rechnet ja auch schon mit diesem Vorwurf von der Gemeinde. Aber es gilt auch dieses Mal wieder: Man muss das Rad nicht stetig neu erfinden (und Achtung liebe Nörgler, Glück auf kommt ganz ohne Rad aus), sondern es reicht durchaus aus – um die weiter oben angeführte Menü-Analogie noch einmal aufzunehmen –, die bekannten und guten Zutaten zu einem leckeren Ganzen neu zusammenzustellen. „Neu ist bei unserem Einsetzmechanismus, dass man auch an Aktionen rankommt, die schon gewählt wurden. Dann muss man eben einen Arbeiter mehr einsetzen“, erklärt Kiesling. „Und ich finde diesen Dreh ganz gut.“

"Der Fahrstuhl nach oben ist besetzt, sie müssen warten!" - Nach dem weltweiten Siegeszug der Fahrstuhl-Musik steht nun der des Fahrstuhl-Spiels bevor. FOTO: ANDREAS

„Der Fahrstuhl nach oben ist besetzt, sie müssen warten!“ – Nach dem weltweiten Siegeszug der Fahrstuhl-Musik steht nun der des Fahrstuhl-Spiels bevor. Foto: Andreas

Die obligatorischen Siegpunkte gibt es für erfüllte Aufträge, am Ende des Spiels und zwischendrin, jeweils am Ende einer Schicht, werden Mehrheiten gewertet. So wie Kiesling der Lord des Legespiels ist, sind Kiesling und Kramer ja auch die Markgrafen der Mehrheitenspiele. Ganz am Schluss ist dann noch das Yin und Yang des Bergbaus entscheidend: Sollte ein Spieler zu sehr auf einer Seite seines Bergwerk-Paternosters gebaut haben, kassiert er für das Ungleichgewicht Minuspunkte. Das mutet thematisch durchaus etwas seltsam an, aber es geht da auch mal wieder um etwas anderes: nämlich um Zwänge. Und ohne die – das hat der Nachmittag bei Michael Kiesling mit schwarzem Tee, Hafertalern und wundervollen, anregenden Gesprächen über Spiele gelehrt – macht es einfach keinen Spaß.

Glück auf von Michael Kiesling und Wolfgang Kramer, Eggertspiele/Pegasus 2013, für 2 bis 4 Rußbäckchen ab 10 Jahren, Grafik: Dennis Lohausen, Preis: rund 35 Euro

Ein weiteres Making of mit Neuheiten von Friedemann Friese findet ihr hier.
Erste Spieleindrücke von Sanssouci und Nauticus haben wir in diesem Bericht aufgeschrieben.
Und ein spannendes Making of für Vielspieler ist hinter diesem Link zu finden.
Das vierte Making of über Andreas Schmidt steht an dieser Stelle.